Im Schweiße deines Alkohols

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 44/2022 zum 2. November 2022

Liebe Frau Andrea,
obwohl Deutsche komme ich mittlerweile ganz gut zurecht mit Wien und seinen Eigenheiten. Nur sprachlich hapert’s noch. Neulich erzählte der Kollege im Büro, er habe sich am Wochenende komplett „zugeschwarst“. Ich wollte nicht weiterfragen.
Bitte um Aufklärung,
Kirsten Schulze-Schropp, per Email

Liebe Kirsten,

für die chronische oder akute Ethanol-Entrückung, hat Wien eine Vielzahl von Einrichtungen etabliert: Den Heurigen, den Biergarten, das Wirtshaus, das Beisl, das Tschocherl, den Brandtweiner (oder Brandinesa), den Keller, die Prosecco-Hittn, das Punsch-Standl, den Würstelstand.

Für die Ergebnisse der Intoxikationen mit „Äukahoi“ (Alkohol), kurz „Äuk“ genannt, kennt das Wienerische „in Bemsdl“ (den Pinsel), „es Damen“ (das Taumeln), „in Dippe“ oder „Diwe“ (den Dübel), „in Dampas“ („Dampus“, den studentisch latinisierten Dampf), „in Fettsn“ (den Fetzen), „die Fettn“ (den Drall, vom „Effet“ beim Billard), „die Gluad“ (Glut), „in Newe“ (den Nebel), „in Offn“ (den Affen) und seine Variante, den „Offnboidl“ (Affenleopold, in Anspielung an den Rausch, den man sich am Fest des Heiligen Leopold in Klosterneuburg holt). Sodann haben Tschecheranten und Drangler gerne „an Schbids“ (Spitz) und „an Schdich“ (Stich). Rauschate (Berauschte) haben „a Schweigl“ (von Schwelgen), „an Schwibs“ (von schwippen, schwappen), sind „im Ö“ (im Öl), „augflaschld“ (angeflaschelt), „autschechad“ (angetschechert, verwandt mit angeschickert), „bedopped“ (bedoppelt, betäubt vom Konsum eines Dopplers, einer Doppelliterflasche Wein), sind „betoniert“, „blunznwaach“ (weich wie eine Blunzn, eine Blutwurst), „eidrangld“ (eingetränkt), „eigschbridsd“ (eingespritzt), sind „fett wiara Radierer“ (fett wie ein Radiergummi) oder nur „zuagleschd“ (zugeklescht, vom Klescher, dem Schlag, von jiddisch chaleschen, schwach werden, ohnmächtig werden).

Das von Ihnen reportierte Wort kommt ähnlich dem „Schwü“ (der Schwüle), vom „Schwas“ (Schweiß). Es hat sich mit der Metallverbindungstechnik Schweißen im Sinne von zuschweißen zum wienerischen „zuagschwasd“ sein verbunden. Prost!

comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

2 Gedanken zu „Im Schweiße deines Alkohols“

  1. S.g. Frau Dusl!

    Mit Ihrer Reaktion auf die Frage eine deutschen Leserin zum Wort „zugeschwast“ haben Sie wohl nicht nur mich sehr amüsiert! Sehr gelungen, herzlichen Dank dafür. Darüberhinaus haben Sie mit dem Wort „Offnpoidl“ meinen Wortschatz sinnvoll bereichert. Nachdem unsere Stadt unmittelbar vor den Feierlichkeiten des Hl. Leopold steht, wird mir der Gebrauch des neu gelernten Wortes sehr viel Spaß bereiten.

  2. Erst einmal Respekt! Da ist schon Einiges zusammengekommen. Ich bin nur bei den (als soziolinguistische urban legend, daß Inuit so viele Wörter für Schnee hätten, was eigentlich gar nicht stimmt, es ist ganz ähnlich wie hierzulande..) aber Alk, was fällt mir noch ein, Damenspitz = leicht angsäuselt, schwer beinand,im Öl sein haben Sie schon, ich muß nachdenken, schon lange abstinent, Schlagseite haben, angedüdelt,angeheitert, antritschkert, ach… Schnee war natürlich ironisiert Koks…jedenfalls gibt es ein Vielfaches für Alkausdrücke, als Inuit für Schnee haben, da können wir in Ö ruhig mithalten – So beschreibt es Geoffrey Pullum in seiner Veröffentlichung von 1989: „The great Eskimo vocabulary hoax“ – zu Deutsch etwa „Der große Eskimo-Schnee-Schwindel“.
    Liebe Grüße! TP

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