Seit jeher gibt es in Österreich große Expertise darin, Wahres zu Falschem zu spinnen und Falsches zu Wahrem. Die Ausdrucksform, derer wir uns bedienen, um das eine ins andere zu verwandeln ist das Gschichtl. Die Kommunikatisonswissenschaft und nachgelagerte Disziplinen kennen das Gschichtl unter den honorigen Namen Narrativ. Das Wesen des Gschichtls ist die Umerzählung. Wir kennen sie aus eigener Praxis und tausendfachem Erleben. „Tut mir leid, aber der Hund hat meine Hausaufgabe gefressen“, „der Fahrschein ist in der anderen Jacke“, „ich hab maximal ein Glaserl getrunken.“
Das Wesen des Gschichtls ist die Glaubhaftigkeitsbehauptung. Dabei ist es nicht notwendig, dass der Adressat, die Adressatin des Gschichtls das Erzählte glaubt, es genügt, dass es irgendjemand glauben könnte. In einem Land, das überreich mit Deppen und Dolmen gesegnet ist, fände sich, so die belastbare Annahme, jederzeit jemand, der auch das absurdeste Gschichtl als wahr erkennen und Stein und Bein schwören würde, dass es genau so passiert sei. Ganz genau so.
Schon früh wurde eine Verbalform für das Gschichtl gefunden. Das Gschichtl wird traditionell „gedruckt“. Das schlechte Licht, das dabei auf die Presse und ihre Erzeugnisse fällt, trübt den Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse. Der überwiegende Teil der professionell Erzählenden ist redlich und hat gute Absichten.
In den Sozialen Medien firmiert das Gschichtl längst unter „alternative facts“. Ihr Produkt, die „fake news“ funktieren nach dem Prinzip „Haltet den Dieb!“ Alte Sinnsprüche bleiben gültig. „Jedes Schriftl is a Giftl“ wissen die Kollegen aus der Politik.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 1. Oktober 2022.