Österreich ist organisiert in Wichtigkeiten. Wichtigkeiten durchziehen den Alltag von uns allen. In der Deckelfrage ist die Reihenfolge klar geregelt. Der wichtigste Deckel in Österreich ist der Bierdeckel. Nichts ist wichtiger als die saugende Pappendeckelunterlage unter Österreichs zentralem Zungenlöser. Nach dem Bierdeckel kommt lange nichts, dann nochmal lange nichts. Dann kommt der Deckel am stillen Ort. Rotlichtkundigen und Amtsmedizinern würde jetzt vielleicht einfallen, die berufsbegleitende Kontrollkarte der Damen vom ältesten Gewerbe firmiere ebenfalls als Deckel. Einverstanden.
Fehlt noch der unwichtigste Deckel im heimischen Alltag, der Deckel auf dem Kochtopf. Im Land der Grillöfen und Mikrowellenherde ist er nahezu in Vergessenheit geraten. Nicht so bei der amtierenden Technologieministerin. In einem vielbestaunten Akt der Retrospektion rief sie sein Eigenverantwortungs-Potential in Erinnerung: Kochen mit Deckel spare Energie! Kritiker des Gedankens wandten ein, bei Steaks und anderen Pfannenkunstwerken verbäte sich jeglicher Deckel. Ählicher Unmut verlautete von den Freunden des Backens. Auch die Tiefkühlpizzaioli verweigerten den Deckel.
Ohne akuten Zusammenhang mit den Ideen für Heim und Herd entdeckte auch die politische Worterfinderei den Deckel. Der Preisdeckel rast durch die Nachrichten, der Strompreisdeckel, der Gaspreisdeckel, die Deckel auf Benzin und Diesel. Der Ölpreisdeckel! Der Fernwärmedeckel! Nicht bedacht wurde bei diesen Sprachbildern, dass Deckel unter denen etwas köchelt, zum explosionsartigen Hochgehen neigen.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 24. September 2022.