Was hat’s immer mit dem Eckhaus?

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 38/2022 zum 21. September 2022

Liebe Frau Andrea,
ich komme aus der Region Waldviertel, Weinviertel und Wien und höre in Gesprächen mit Bekannten öfter diese Aussage: „Er, sie ist um ein Eckhaus älter bzw. jünger als sein Bruder, seine Schwester“ bzw. „der Weg über… ist um ein Eckhaus länger, kürzer als über…“ und „das Gerät in diesem Geschäft ist um ein Eckhaus teurer, billiger als…“ Ich frage mich, wieso immer das „Eckhaus“ dafür herhalten muss?
Mit besten Grüßen,
Josef Wojta, per Email

Lieber Josef,

das Wienerische kennt auch die Sager „des moch i ned um a Eckhaus“ (das mache ich um keinen Preis) oder: „des kosd ka Eckhaus“ (das ist nicht teuer). Das Eckhaus und seine Verwendung als Synonym für Größe und Wert hat seinen Ursprung in der prosperiernden Bautätigkeit während der verschiedenen Wachstumsphasen Wiens. Im bekannten Wienerlied von den „Hausherrnsöhnln“ wird das thematisiert: „In Gumpendorf drunt, auf an Eck Numma zwa, steht a dreistöckigs Haus und des geheat dem Papa, in an Zimmer do drin steht a Kassa allan, und den Schlüssel dazua den hod die Mama…“ Der Familie fehlt es niemals a Geld, denn der Vater ist ein Hausherr und Seidenfabrikant. Das Eckhaus steht also für Wohlstand und Reichtum. Aber, warum eigentlich? Geht es um die Aussicht, die Möglichkeit von Wohnungen, die in zwei Himmelsrichtungen orientiert sind, wie das in Fall moderner amerikanischer Bürohochhäusern dazu führt, dass die begehrtesten Offices jene in den Ecken sind?

Das Wiener Eckhaus, in der Gründerzeit in der Regel auf neu parzelliertem Grund errichtet, galt auch deswegen als teuer und exklusiv, weil die Ausgestaltung zweier Fassaden mehr Mittel erforderte als die eines in Reihe errichteten Zinshauses mit Stirnfassade. Dazu kam die ungünstige Hofanlage. Die höheren Baukosten signalisierten damit einen höheren Status des Bauherrn oder späteren Käufers. Ohne das Wiener Eckhaus wäre das Wiener Kaffeehaus undenkbar, traditionell im Erdgeschoss eines großen Eckhauses etabliert. Postalisch und wählerevidenziell sorgt das Eckhaus immer wieder für Verwirrung, weil ein solches Haus nicht selten zwei Adressen hat.

comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert