Was in Österreich immer funktioniert

Auf der Insel der Seligen wurde längst die Erkenntnis angeschwemmt, wonach es keine Lüge gebe. Das Achte Gebot, betreffend das falsche Aussagen gegen den Nächsten, wurde behände umgedeutet (neu geframed, wie man heute sagt). In der Hochblüte des Trumpismus‘ bekam das Wort Lüge ein Schutzmäntelchen angemessen, seither sind Lügen alternative Fakten. Was immerhin einräumt, es gäbe native Fakten, also solche, die schon vorher da waren. Gedanken, zu denen es weder alternative noch native Fakten gibt, heißen im Neusprech Meinung. Das ist insoferne praktisch, als gleichzeitig sehr viele Meinungen herumschwirren können, ein ganzer Markt von Meinungen, jede gleichberechtigt, jede so wahr wie die andere. Befreit von jedem Nachweis einer Faktizität lassen sich Meinungen aus dem Nichts erzeugen. Kaum gedacht ist die Meinung schon in der Welt, und dank Sozialer Medien überall. Methoden, sich falscher, widersprüchlicher oder schlechter Meinungen zu erwehren gibt es kaum, gilt doch das Gebot der Meinungsfreiheit.

Noch vor der Lüge hat sich der Betrug vom Joch des Verbotenen befreit. Das Übervorteilen wird als marktübliche Praxis bezeichnet, von modernen Finanzinstrumenten wird geschwafelt, derer sich noch nicht alle Teilnehmer professionell bedienen könnten. Wie gut, dass es im juristischen Niemandsland des Zweifels immer auch die alternative Rechtsmeinung gibt. Erlaubt ist, was gefällt, sagt die Ästhetikbranche. Wer heilt, hat recht, heißt es aus der Klinik. Sollte irgendwas dennoch schiefgehen, hilft der alte Spruch:

Nichtdabeigewesensein ist alles.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 17. September 2022.

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