Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 34/2022 zum 24. August 2022
Liebe Frau Andrea,
der Autor David Baum hat mich auf ihre Kolumne aufmerksam gemacht. Er hatte recht, als er sagte, das wird dir gefallen. Ich bin Hobby-Wiener und genieße die Stadt mit angemessenem Abstand. Manchmal tauche ich dann aber doch ein. Das Wort „sekkant“ ist mir erschienen. Zwei Fragen. Ich wäre gern sekkant, was muss ich tun? Wo könnte mir dieses Wort begegnet sein? Ich habe es nicht gehört, ich habe es gelesen, weiß aber nicht mehr, wo. Wahrscheinlich liebe ich Wien.
Liebst & Herrlich,
Friedrich Liechtenstein, Berlin-Mitte, Guten Morgen! Per Email
Lieber Friedrich,
wollte man in Wien zum Ausdruck bringen wollte, jemand nerve, sei aufdringlich, lästig, griffe man zum bestens bekannten Verb sekkieren. In Sätzen wie diesen: „da Schef sekíad mi ollaweu mid blede Dands!“ (Der Chef belästigt ich immer mit dummen Ideen!) Eskalationen auf diesem Gebiet quittierte man mit Festellungen wie „bis aufs Bluad hoda mi neilich sekíat“ (blutig hat er mich neulich genervt).
Das von Ihnen in Kaffeehausliteratur, möglicherweise auch in journalistischer Prosa aufgelesene „sekkant“ ist das Adjektiv zum Zeitwort sekkieren. Wir wären versucht eine Verwandtschaft zur Sekante zu erblicken, jener Linie die einen Kreis oder eine andere Kurve schneidet, wüssten wir es nicht besser. Kommt doch sekkieren nicht von schneiden (italienisch und lateinisch secare), sondern von verdorren, austrocknen, trocknen (italienisch seccare, lateinisch siccare ). In seiner Nebenbedeutung verstehen die Italiener·innen unter seccare: Belästigen, auf die Nerven gehen. Das Wienerische hat aus dem italienischen seccare sekkieren gemacht und mit ihm auch einen verwandten Ausdruck importiert. Aus seccatura, der Belästigung wurde die Sekkatur (ausgesprochen: Sekadúa), in weiterer Folge die Sekkiererei (Sekíararei).
Von Ihrem Vorhaben sekkant zu sein, möchte ich Sie dringend abhalten, allzu leicht „gabads a Gfret“, gäbe es ein Gefrett (Ärger, Plage, Unannehmlichkeit). Vermeiden Sie Sekkaturen jeder Art. Eine übliche Quittung bliebe Ihnen erspart: „Gwööns wen ondan!“ (Quälen sie jemand anderen!)
comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina
In den aktiven Sprachschatz gerückt gehört vielleicht auch ein Kofferwort (nix „Du Koffer“); Am besten in der Phrase „Ich bitt´ Sie (oder „Ihna“), sans do ned so aggressant!“
Kommt gut mit einer leichten Schönbrunner Färbung. Es nennt somit die agressive Komponente der Sekkatur beim Namen.