Berufe mit Zukunft

Die Gegenwart kennt nur zwei Blickrichtungen. Vorschau und Nachlese. Beides ist den Österreichern unangenehm (die Österreicherin ist immer mitgemeint). Als Experten des Ungemachs fürchten wir Zukunft wie Vergangenheit gleichermaßen. Wohlgefühl kann nur die Gegenwart auslösen. Propheten, Planer und andere Akrobaten des Zukünftigen reagieren auf diese Befindlichkeit mit Übertreibung. Auf diesem Feld kennen wir uns aus, Übertriebenes glauben wir sofort. Wahrsager haben dort Erfolg, wo sie unrealistische Wünsche und groteske Befürchtungen erraten. Düstere Prognosen werden um so besser angenommen, je glaubwürdiger jemand anderer für ihr Eintreffen beschuldigt werden kann. Die Rechten, die Linken, die Geimpften, die Ungeimpften.

In den 90erjahren zirkulierte in politisch verzukunfteten Kreisen der Begriff der Angstlust. Verbunden damit war der täglich absolvierte Besuch am Balkon des Schreckens. Geister der Vergangenheit wurden mal manisch, mal depressiv in die Zukunft geworfen. Dort lauerten indes ganz andere Gestalten. Besser angezogene, schöner frisierte, schneller ausgebildete.

Wir sind bei der Berufswahl gelandet. „Was könnte ich werden?“ fragte das Fernsehen der 70er und 80er. Hätte damals jemand geantwortet: “Feel Good Manager”, “Empathy Designer”, “Social Media Strategist”, „Customer Experience Engineer”, “Transformation Consultant”, “Bit Coin Farmer”, „Tele-Chirurg“, „Drohnen-Pilot“, oder „Klima-Aktivistin“, alle hätten gelacht. Damals wollte man noch Dauerwellen-Frisörin werden und Schalter-Beamter in der Bank.

Irgendwas mit Zukunft halt.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 16. Juli 2022.

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