Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 20/2022 zum 18. Mai 2022
Liebe Frau Andrea,
wir beide saßen letztens zufällig an benachbarten Schanigartentischen und plauderten über diese Kolumne. Gerne komme ich Ihrem Wunsch nach und stelle meine Frage auch öffentlich. Wie frage ich Sie richtig?
Doris Leitner, Neubau, jetzt per Email
Liebe Doris,
haben Sie herzlichen Dank für Ihre Frage. Ich kann kaum widerstehen, auf den deutschen Kulturphilosophen Odo Marquard hinzuweisen, selbsternannte Autorität auf dem Gebiet der Inkompetenzkompensationskompetenz. In einem Vortrag, 1979 an der Universität Tübingen gehalten (für ein breiteres Publikum in der Reclam-Fibel „Abschied vom Prinzipiellen“ publiziert), geht Marquard der „Frage nach der Frage“ nach, „auf die die Hermeneutik die Antwort“ sei. Hermeneutik, so Marquard, sei die Kunst, aus einem Text herauszukriegen, was nicht drinstehe. Hier fühlt sich die Comandantina verstanden. Ich beantworte gern mehr, als gefragt wurde.
Wie sieht die ideale Frage aus? Sie umfasst ein paar Zeilen (Längeres wird konservativ eingekürzt), fokusssiert auf ein Phänomen, eine kulturelle Praxis, ein seltsames Wort, durchaus mit historischem Bezug, vorrangig aus einer, dem Falter-Lesekreis zugänglichen Region, am besten natürlich aus Wien. Es wäre nicht falsch, anekdotisches Vorwissen preiszugeben, eventuell Ort, Zeit und Umstände des Gehörten, oder sonstige Quellen anzugeben. Einzelfragen erhöhen die Chance auf Beantwortung, Konvolute verringern sie. Für Radikalpersönliches sei auf Psychoanalytiker, Seelentherapeuten und Schamanen aller Art verwiesen.
Nicht alles ist beantwortbar, die Forensik nennt solche Fälle „cold cases“. Sie bleiben auch hier in Evidenz. In Bezug auf Formalismen ist erbeten, einen vollständigen Namen anzugeben, dazu einen Ort oder einen Bezirk. „Klara M., Internet“, „Satan0815“, oder „ein geneigter Leser“ verspielen die Augenhöhe und verringern die Chance auf Antwort. Die Benennung des Kommunikationskanals nehme ich gerne selbst vor. Alles von der Flaschenpost bis zum ganzseitigen Inserat in der New York Times ist erlaubt. In der Regel haben sich Emails (gerichtet an: dusl@falter.at) als verlässlicher Postweg etabliert. Besten Dank im Voraus!
comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina