Das größte aller österreichischen Talente leuchtet uns aus einem Sprichwort entgegen: „Dabeisein ist alles“. Die Lust am Mitmachen durchzieht Familiengeschichten und persönliche Biographien, ja das Land selbst. Der Großmeister der Eigenpräsenzbeobachtung, der legendäre Kronenzeitungs-Reporter Roman Schließer befestigte ein ganzes Genre mit seinen Berichten. Seine Kolumne und er waren synonym: Schließer war „Adabei“. Damit wird jemand bezeichnet, der zwar nicht dazugehört, aber „auch dabei“ ist. Am Land, wo man gezwungenermaßen dazugehören muss, warnt man vor Übertreibung. Dort heißt es blumig, aber genau, man könne zwar, aber solle nicht „mit an Oasch auf drei Kirtag sein“.
In einem größeren Ausmaß hat auch Österreich selbst, der Staat und seine Lenker, das österreichische Talent für die Mitgliedschaft umgesetzt. Die Habsburger haben eingeheiratet, wo es nur ging, und sobald der Markt erschöpft war, sich aufs Kriegeführen verlegt. Bei Deutschland und seinen extremen Ideen dabeizusein hat uns ins Orkanauge von zwei Weltkriegen geführt. Währungstechnisch blieb man Deutschland auch nach der Läuterung treu und folgte ihm schließlich ins große Dabeisei-Projekt Europa. Daran ist nicht Falsches, Europa kann man kaum entkommen, lehrt doch die Bundeshymne: „Heiß umfehdet, wild umstritten, liegst dem Erdteil du inmitten.“ Vom Nebenmittelpunkt des Erdteils, der Schweiz, haben wir uns die Neutralität, das sehr unösterreichische Konzept des Nichtdabeisein abgeschaut.
Geblieben ist die Sehnsucht nach dem Dabeisein. Das heißt momentan NATO.
Der falsche Kirtag, wie die Historiker meinen.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 7. Mai 2022.