Ein beliebtes österreichisches Kindervergnügen ist das Spiel „Alles was Flügel hat, fliegt“. Ein Tisch und Partizipanten genügen. Das Gaudium beginnt, indem die Teilnehmenden mit beiden Zeigenfingern im Gleichtakt rhythmisch gegen die Tischkante klopfen. Der Ansager, die Ansagerin klopft ebenfalls gegen die Tischkante und deklamiert dabei den Titel des Spiels, also: „Alles, was Flügel hat fliegt…“ Um gleich darauf, zur Exemplifizierung der These, ein Objekt zu nennen, das fliegen kann. Bei dessen Nennung heben alle beide Hände in die Höhe und deuten damit die Flugfähigkeit des Objekts an. Ein Beispiel ginge so: „Alles, was Flügel hat fliegt… Die Taube fliegt!“
Weiter geht’s mit Getrommel und dem Ansagen von Flugobjekten: „Die Rohrdommel fliegt“, „der Kuckuck fliegt“, „der Maikäfer fliegt“. Bis ein Objekt genannt wird, das definitiv nicht fliegen kann, und die Mitspieler, listig getäuscht, ihre Hände fälschlich in die Höhe heben, etwa beim Satz „der Hubschrauber… landeplatz fliegt“. Wer nun die Hände gehoben hat, hat verloren.
In weiteren Runden, wird der Spieß umgedreht, in täuschender Absicht werden Flugbjekte angesagt, denen erst nach semantischer Klärung Flugfähigkeit nachgewiesen werden kann: Tennisbällen, Papierfliegern, gefoulten Fußballern. Da verliert, wer die Hände unten lässt.
Das allzu Österreichische an diesem Spiel ist der Nervenkitzel des Täuschens und Getäuschtwerdens. Es gab Jahrzehne hindurch kein österreichisches Flügel-hat-Spiel, in dem ein Objekt von nationaler Bedeutung nicht vorkam. Der Satz dazu ging so: „Alles was Flügel hat fliegt… Der Niki Lauda fliegt!“
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 30. April 2022.