Wir leben in schwierigen Zeiten. Schwierige Zeiten sind immer auch österreichische Zeiten. Auf dem Felde der Schwierigkeiten kennen wir uns aus. Obschon unsere Seele weich ist und luftig wie ein Kaiserschmarren, haben wir doch ein Faible fürs Kritische, für Härte im richtigen Augenblick. Ungerechtigkeiten sind uns zuwider, vor allem, wenn sie andere ausüben.
Im Versuch, uns selbst zu verstehen, verstehen wir also die Ukraine. Österreichweit. Von der Almhütte bis zum Ballhausplatz. Hilfreich in diesem Unternehmen sind zunächst kleine Ähnlichkeiten. Die Landesfarben von Niederösterreich sind bekanntlich blaugelb. Der älteste Fußballverein Österreichs (die ehrwürdige Vienna) läuft blaugelb aufs Feld, und ganz selbstverständlich nimmt der Sommerhimmel über einem heimischen Rapsfeld die Kolorierung der ukrainischen Flagge an. Das sind keine Zufälle. Auch wenn wir es erst jetzt erkennen, wir waren immer schon Ukrainer der Herzen.
Tiefenbohrungen in die Geschichte fördern Verwandtschaftliches zu Tage. Waren nicht wichtige Landstriche der überfallenen Nachbarnation eminent österreichisch? Im unaussprechlichen Lwiw (Fernsehansagerdeutsch „Läwiff“) erkennen wir unser gutes altes, von Kultur und Geschichte getränktes Lemberg. Das fremde und ferne Kronland Ostgalizien ist als elegante Westukraine auferstanden.
All das hat der Bösewicht aus dem Kreml zu verantworten. Der kann und will nicht verstehen, dass Freiheit ein Gefühl ist und kein russisches Diktat. Freiheit heißt, österreichisch zu sein, auch wenn es weh tut.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 19. März 2022.