Die vielen Gesichter des Karl Nehammer

Das Amt des Österreichischen Bundeskanzlers gilt als das schwierigste der Republik. Es kommt gleich nach dem des Trainers der Fußballnationalmannschaft und dem des Burgtheaterdirektors. Die Schwierigkeiten sind nicht nur den spezifischen Herausforderungen des jeweiligen Fachgebiets geschuldet, hie des Grünen Rasens, da der Bretter, die die Welt bedeuten, dort des Minenfeldes der Innenpolitik. Schlimmer. Schwieriger. In besagten Chefpositionen reden alle mit. Alle kennen sich aus. Alle wissen es besser. Alle könnten es besser.

Wir verstehen gut, dass sich Amtsinhaber gegen jegliche Fremdeinmischung und jedweden Beratungsversuch immunisieren. Das macht einsam. Die Seele Leopold Figls hat darauf mit Veltlinerabusus geantwortet, Sonnenkönig Kreisky vergrantelte am Ballhausplatz und zog sich ein Nierenleiden zu. Fred Sinowatz hielt es nicht lange aus, alles war bekanntlich kompliziert. Banker Vranitzky und Manager Klima nahmen es einigermaßen sportlich, letzterer antwortet Schelte und Kritik mit einem Zahnpastalächeln. Wolfgang Schüssel schießlich schwieg. Nachfolger Alfred Gusenbauer nahm Wege, die erst im Gehen entstanden, Werner Fayman kombinierte Schweigen mit Lächeln. Und dann überschlugen sich die Kanzlerschaften. Kern stolperte über Kurz, dieser über Strache. Mrs. Bierlein hielt den Sessel warm, um Kurz die Chance zu geben, auch über sich selbst zu stolpern. Was machte Schallenberg? Wenig, und das nur kurz.

Es darf nicht wundern, dass Karl Nehammer seine Rolle auf dem Schleudersitz, der die Welt bedeutet, noch nicht ganz gefunden hat.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 26. Februar 2022.

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