Wir lieben sie, wir hassen sie. Die Experten. Sie sind uns so nahe, weil wir alle welche sind. Jeder Österreicher ist Experte (im Geheimen auch jede Österreicherin). Das volle Ausmaß dieser Begabung erstrahlt bei Spielen der österreichischen Fußballnationalmannschaft. Jeder (so sie sich dafür interessierte: jede) im Land ist Nationaltrainer. Besserer Nationaltrainer als der jeweils amtierende. Ähnliches kann über die richtige Zubereitung der Nationalspeise Schnitzel und die Kunst des hurtigen Autolenkens gesagt werden.
Im Rahmen seiner allumfassenden Auskennerschaft ist der österreichische Mann jederzeit in der Lage, der österreichischen Frau auch Expertise in allen Fachfragen (auch feministischen) anzubieten. In alltagstechnischer Hinsicht kennt das Englische dafür den Ausdruck „Mansplaining“, es bezeichnet die Kunst, Frauen zu erklären, wie die Welt und ihrer Bestandteile (die Frauen) so funktionieren. Warum es kein einheimisches Wort für den maskulinen Erklärbären gibt, muss noch geklärt werden. Vermutlich, weil es zu viel Arbeit macht. Ist doch Arbeitsvermeidung das Hauptthema österreichischer Expertise. Die österreichische Erklärkunst mündet stets in der Berichterstattung über spezifische Aufwandsvermeidung. Wer sich dem Paradigma verweigert, ist kein Mann, also kein Experte, sondern ein Trottel. Frauen sind niemals Trottel, soviel Höflichkeit durchzieht das Land, Frauen sind Ausländerinnen im Seelenland Mann, sie beharren auf Gleichbezahlung und Sitzpinkelei und anderem Unfug.
Ganz besonderen Bedarf an Experten aller Art gibt es in der Krise. Hier kennen sich die Österreicher aus. Alle.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 22. Jänner 2022.