Gesichter der Zeit

Facebook, zu deutsch „Gesichtsbuch“ heißt die größte und wirkmächtigste Sozialplattform des Planeten. Die Menschheit teilt sich entlang des WLAN-Äquators in genau zwei Großgruppen: Die einen sind bei Facebuch (und ärgern sich), die anderen sind nicht bei Facebuch (und wissen nicht, was ihnen entgeht). Auch die Österreich·innen sind bei Facebuch, meist mit einem Jugendbild, manche schauen uns in Form ihres Hundes, ihrer Katze oder ihrer Lieblings-Comic-Figur an. Viele tragen zur besseren Erkennbarkeit ihrer Coolness Sonnenbrillen, nationale Hüte oder drücken den Lebensabschnittspartner mit ins Bild. Meist heißen die Österreicher·innen auf Facebook, wie sie tatsächlich heißen, Kurt Sagschartmüller, Sonja Tischecker oder so. In Fällen überschießender Überwachungsfurcht greifen die Gesichtsbuchösterreicher·innen aber auch zu Erfundenem, Tini Traumfrau, Clautschi Catwoman oder Burli Besserwiss. Dazwischen tummeln sich die Trolle der großen ideologischen Strömungen dieser Welt (Bastianer, Impfgegner und Metal-Fans), dazu russsiche Verwirrexperten, Hochstapler, und Unsicherheitstifter aller Art.

Wer nicht auf Facebook Zeit vernichtet, schreibt, liest und verteilt Sekundenaktuelles auf Twitter, oder berichtet Karriereschönes und Geburtstage auf XING und LinkedIn. Die Jugend (handytechnisch beginnt sie im Kindergarten) kriegt die Krise in den Bilderbüchern Instagram und SnapChat und noch mehr im Videoclip-Universum TicToc.

Aber immer gilt: Ohne Bild bist Du niemand im Netz. Oder umgekehrt: Du bist das Bild, das Du von Dir preisgibst.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 11. Dezember 2021.

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