Wieso sind wir betropetzt?

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 48/2021 zum 1. Dezember 2021

Liebe Frau Andrea,
im Rahmen einer kleinen Auffrischung meiner Italienischkenntnisse bin ich über das Wort „purtroppo“ für „leider“ gestolpert, eh ein alter Bekannter. Doch plötzlich fiel mir das wienerische „betropetzt“ ein, das angeblich von „tropfen“ kommen soll, was mich aber nicht so richtig überzeugt. Kann es sein, dass dieses Wort eine Verballhornung des italienischen Cousins ist, weil die Gemütszustände von „leider, bedauerlicherweise“ und „betrübt“ sind ja durchaus ähnlich.
In freudiger Erwartung Ihrer Antwort,
Barbara Hutter, Landstraße, per Email

Liebe Barbara,

bei Begriffen mit großer Wienerischkeit darf sehr oft an eine Entlehnung aus dem Jiddischen gedacht werden. In den meisten Fällen trifft das auch zu. Vorschläge „betropetzt“ über ein mittelhochdeutsches „tropfetzen“ (tröpfeln) aus dem Jiddischen herzuleiten, bleiben indes vage. Zwar gibt es im Jiddischen den „Tropn“ (Mehrzahl Tropnß), den Tropfen, aber unser Adjektiv findet sich in keinem Wörterbuch des Westjiddischen. Die Ähnlichkeit mit dem hochdeutschen „betroffen“, das eine fast gleiche Bedeutung hat, nämlich bestürzt, entsetzt, erschrocken, fassungslos, niedergeschlagen, könnte auf eine satirische Neuschöpfung hinweisen, eine Verjiddischung quasi. Gäbe es nicht das wienerische bedrobfd (betropft, dümmlich) und das damit verwandte „audrapplad“.

Das italienische „purtroppo“ mag ein wenig sprachlichen Druck auf die Bedeutung ausgeübt haben, aber mit großer Wahrscheinlichkeit finden wir die tatsächliche Herkunft in der mittelalterlichen Krankheitsbezeichnung „tropho“, „trophe“, tropfe“. Damit bezeichnete man im Rahmen der gängigen Lehre von den Körpersäften Patienten, an denen man Schlagfluß (Schlaganfall) oder Fallsucht (Epilepsie) diagnostizierte. Gemäß der Vorstellung, daß diese Leiden von einem ins Gehirn oder Rückenmark gefallenen Tropfen herrührten. Im Wort Tropf für Einfältige, Dumme und Unbedarfte ist die ursprüngliche Bedeutung erhalten.

Italianophilen bliebe dennoch Raum für Alternativen. Für purtroppo (bedauerlicherweise, unglückseligerweise) kennt unsere Nachbarsprache noch disgraziatamente, malauguratamente, sfortunatamente und sventuratamente!
comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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