Das Bild, das Österreich von Deutschland hat, ist scharf und unscharf zugeich. Liebe zerfließt in Hass, Abscheu mischt sich in Zuneigung. Das hat Gründe, die niemand zu nennen wagt. Wir verstehen alles, was die Deutschen sagen (schon bei den Schweizern fällt uns das schwer), aber nichts, was sie meinen. Die gemeinsame Sprache trennt uns, der Charakter sowieso, einzig die Baiern kommen uns verwandt vor. Deutsche jenseits des Weißwurstäquators sind uns urfremd.
Dem steht das vergebliche Bemühen von Menschen aus der österreichischen Provinz entgegen, sich in Schulen und Fernsehinterviews im Deutschreden (im Reden nach der Schrift) zu versuchen. Die Wiener sind hier selbstverständlich mitangeklagt. Alles indes ist anders, wenn tatsächliche Deutsche anwesend sind. Dann greifen wir zur sprachlichen Camouflage, bemühen die starken Idiome unserer Herkunftsgegenden, Verzwergen uns im Witzeln und im Schmähführen, dann öffnen wir unsere Herzen und schwenken die Schnapsflaschen. Österreichs einzige Industrie, der Tourismus, lebt fast ausschließlich davon, den Deutschen und Deutschinnen vorzumachen, wir liebten sie.
Das wiedervereinigte Deutschland hat uns das nicht verziehen und uns neben Theaterdirektoren Arbeitsmigranten aus den neuen Bundesländern vorbeigeschickt. Die schneidenden Idiome Meckpoms, das Sächsische und das Thüringische haben sich hinter unseren Supermarktkassen breitgemacht und auch nicht davor zurückgeschreckt Hotels und Pensionen, Lifte und Pisten unösterreichisch zu beschallen.
Die Deutschen. Wir lieben und wir hassen sie. Sind wir doch Äpfel vom gleichen Birnbaum.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 25. September 2021.