Ich bin so wütend, ich habe ein Schild gemacht

Mit etwas Wehmut und einer Prise Schaudern erinnern wir uns an Frieda Nagl selig. Die Rauriser Wirtin, Gründerin des Gasthofs „Alpenrose“ wurde österreichweit als Wut-Oma bekannt. Ihre Zorn-Explosion im Sommer 2014 richtete sich gegen allgemeine und spezielle Schikanen, Behördenwillkür, Steuerpein und eine Politik für die großen Leute. Oma Nagl litt an chronischer Austriazitis. Ihre Verstimmung löste Solidarwut im ganzen Land aus, ihr Grant begeisterte Mitwütende und Frischerzürnte. Knapp zwei Jahre später, durch Anerkennung friedlicher geworden, starb die Wut-Oma im Urlaub in Griechenland.

Jetzt sind andere in Wut geraten. Frühergraute aus der Esoterikindustrie, rüstige Quatschmediziner, alte und junge Reichsbürger, UFOnauten, Erleuchtete, Aluhutmacher und Räucherstäbchen-Konsumenten. Alternativ-Wissenschaftler, Verschwörungstheoretiker und Ängstliche aller Art. Sie alle fühlen sich bedroht. Erst von Zahlen und Kurven, dann von Masken und Abständen, und seit der Verbreitung der Impfangebote von der Weltverschwörung der Schlafschafe. Einer bösen Weltbewegung mediengesteuerter Impffreunde, Pharmagünstlinge und Freiheitsräuber.

Geimpfte bedrohen der Wütenden Gesundheit durch ansteckende Vakzination, Zahlenbastelei und großflächiges Lügen. Schlafschafe sind ferngesteuert, mikrogechipt (aber erfreulicherweeise unfruchtbar). Geimpfte so sagen die Wütenden, sind tausenmal ansteckender als Ungeimpfte.

Man ist versucht, Oma Nagl zurückzuwünschen, um den Impfverweigeren in Erinnerung zu rufen, wogegen sich die gute alte Wut einst richtete – gegen die ökonomischen Verhältnisse.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 18. September 2021.

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