Neue Orden

Vielfach wird unter dem Begriff „Orden“ ein (meist rundes) Medaillon, ein Kreuz oder ein Stern verstanden, das an einem grellbunten Stoffdreieck hängt und die männliche Erwachsenenbrust ziert. Militärs tragen wegen der Inflation der erfahrenen Ehrungen nur die Stoffteile, in mehrreihigen Spangen zusammengefasst, die wie Kreuzworträtsel aussehen, die LSD-Reisende ausgemalt haben. Wer einen Orden erhält, wird in eine Liste geschrieben, nicht unähnlich jenen, die Vereine von ihren Mitgliedern führen. Je höherrangig der Orden, desto kürzer die Listen. Manche Orden ergehen nur an Könige und Diktatoren. Ist doch der Orden ein Machtinstrument. Er kündet von Eliten und Hierarchien. Wie sehr das noch heute gelebt wird, kann man am Opernball feststellen: Schärpen, Plätschen, Sterne an den Fräcken der Wichtigen und Richtigen. Dass der Orden mit Ordnung zu tun hat, ist weitgehend bekannt, jeder Hinweis auf den klerikalen Ursprung der Orden ist in Klösterreich überflüssig.

Orden und Ehrenzeichen sind nicht auf staatliche Autoritäten und Fernsehpromis beschränkt. Schulskikursmetall, Freischwimmeraufnäher, Feuerwehrleistungabzeichen, Wehrdiensterinnerungsmedaillen schmücken Kinderzimmer und Wohnzimmervitrinen, das gelbe Pickerl vom ÖAMTC, die Autobahnvignette, ja selbst die Prüfplakette vom jährlichen Pickerltermin haben Ordencharakter. Sie scheiden zwischen Ausgezeichneten und Außenstehenden.

Jüngster Orden ist der Impfnachweis. Am Handy gespeichert, oder als Papierl in die Tasche gesteckt signalisiert er: Obacht, Elite!

Kein Wunder, dass Genesene und Ungeimpfte verbittert sind.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 4. September 2021.

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