Was bringt das Sommerloch?

Das Englische, ungeliebter Wurstkessel für Wortneuschöpfungen aller Art kennt den Begriff der „guilty pleasures“, der schuldhaften Vergnügungen. Damit ist der Konsum all jener Kulturprodukte gemeint, die wir heimlich oder mit gespieltem Schuldgefühl konsumieren. Von der Ananas-Pizza bis zum Nutellasemmerl, von der Landarztfolge bis zum Helene-Fischer-Lied. Wesentliche Voraussetzung für das Vorliegen der schuldhaften Vergnügung ist nicht deren vorgeblich fehlende Qualität, sondern unser Gefühl, mit dem Besseren das Gute zu betrügen. Niemand entkommt den eigenen guilty pleasures.

Der Kitsch und das Heimelige haben sich in dieser dialektischen Lücke ökonomisch eingerichtet, auf publizistischem Gebiet das bunte Heftl. Im Friseursalon und in der Arztpraxis studieren wir vornehmlich die Blätter der Schlagzeilen-Presse. Wiewohl der Boulevard saisonunabhängig die Probleme der Reichen und Royalen und die Erschütterungen von Otto und Susi Normalbürger erörtert, ist doch der Sommer die Zeit der Spezialereignisse. Die Absenz von politischen Desastern (Vorwahlkämpfe ausgenommen) gibt den Naturkatastrophen, den Kleintierdramen und den Fabelwesensichtungen breiteren Raum. Auch die seriöseren Gazetten berichten sommers aus Schlafzimmern und Vorgärten. Nur die UFO-Sichtungen haben abgenommen. An ihre Stelle sind mysteriöse Befindlichkeiten getreten. Wird das rätselhafte Havanna-Syndrom, das ausschließlich US-Agenten in Kuba und Österreich befällt, die Kloschlangen aus den Berichten drängen? Wir sind gespannt!

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 31. Juli 2021.

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