Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 29/2021 zum 21. Juli 2021
Liebe Frau Andrea,
schon lange wollte ich sie das fragen. In all den Pressekonferenzen und UA-Befragungen der letzten Monate musste ich immer an das Wort denken. Strizzi. Wieso heißen manche Leute so und woher kommt das Wort?
Liebe Grüße,
Flora Schusterschitz, Margareten, per Email
Liebe Flora,
die Übergänge zwischen Strizzi und anderen Protagonisten des „Milieus“ sind fließend. Generell ist der Strizzi (man sagt: Striedsi) besser „gschoind“ (geschalt, also angezogen) als andere, trägt also besseres Gewand und deutlichere Hemdmuster. Das (meist blonde, nie kurz geschnittene) Haar ist besser frisiert, Hals und Hände sind umrankt von viel Gold, und die Visage beschattet von teuren Sonnenbrillen. In der Regel ist der Strizzi aufwändig tätowiert, schon damit man ihn in der Swingersauna und im Leichenschauhaus jederzeit an seiner individuellen Bemalung identifizieren kann. Das Peckerl (die Tätowierung), meist im „Häfn“ (Gefängnis) akquiriert, kann sich zu einer komplexen Ganzkörper-Erzählung auswachsen, dann spricht man vom Träger als dem „Bunten“ oder dem „Tintenfisch“.
In größerem Maße sind es die sprachlichen Fähigkeiten, die beim Strizzi hervorstechen, sie kommen an seine Talente im Umgang mit Faust, Fisch (Messer) und Puffn (Feuerwaffe) heran. Der Strizzi (eine sprachliche Verquickung des tschechischen „strýc“ (Onkel), des italienischen „strizzare“ (auspressen, ausdrücken), und des goldgewundenen Milchgebäcks namens „Striezel“) zieht an den höheren Registern der Schmähkultur, ist gewandt und beredt, und das muss er auch sein, denn er hat sehr viel mit Menschen zu tun. In seinem Stammlokal, der „tiafn Hiattn“, organisiert er das Zusammentreffen zweier Welten im Dienste der körperlichen Lust. Als Showbusiness-Akteur und Talente-Agent ist er theatralisch begabt. Die Wiener Unterwelt kennt ihn als „Autreiba“ (Antreiber), „Gratnkutscha“ (Grätenkutscher), „Heidldrescha“ (Hautdrescher), „Kober“ (Kuppler), als „Peitscherlbua“ (Peitschenbub) und „Lud“ (die Kurzform von Ludwig, in Anspielung auf die französischen Könige und ihre Mätressen). Die Frauen in seiner Obhut nennen ihn schlicht: „da Oide“, der Alte.
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