Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 22/2021 zum 2. Juni 2021
Liebe Frau Andrea,
letztens beim Nachhören der Ö1-Sendung „Mitschnitt“ mit dem Konzert von Marie Therese Stickler und Manuela Diem war die Rede von der Wendung „Wem g‘heast denn?“. Es war die Musikerin Stickler, die über diese für heutige Tage doch sinnbefreite Fragerei an kleine Kinder sinnierte. Dabei erinnerte ich mich, dass ich das auch aus Kinder- und Jugendtagen in Erinnerung habe. Es wird vermutlich aus dem vorvorigen Jahrhundert stammen, wo manch Gehilf*in zu einem Haushalt „gehörte“, oder? Ich darf Sie dazu um Ihre fundierte Meinung bitten?
Besten Dank,
Alfred Flammer, Neurisshof, per Email
Lieber Alfred,
auch ich kenne die Frage aus meiner Landkindheit. Erwachsene Einheimische (niemals waren es Sommerfrischler) bannten damit Kinder, die alleine oder in Hänsel-und-Gretel-Manier im Duo angetroffen wurden. Das konnte irgendwo sein, im Wald, auf der Wiese, auf Wegen und sogar in Geschäften. Je ländlicher die Gegend, und je jünger das Kind, desto eher wurde es angesprochen. Nicht unbedingt in böser Absicht. Einzig Schultaschen am Rücken immunisierten vor der lästigen Zuständigkeitserhebung. „Wem gheastn?“ („Wem gehörst du denn?“) hieß soviel wie: „Wer sind deine Eltern, von welchem Hof kommst du, und bedeutete: „Wer passt gerade nicht auf dich auf?“ Als Antwort erwartete man weder Adresse noch Vor- oder Familienname, sondern den Vulgo- oder Hofnamen. Grindlhaimhofa, Kloagstettnhuaba, Finstawiesnbeaga, Hintamooslaitna. War die Herkunft einem Betrieb geschuldet, konnte es schon auch heißen: Pichla-Taxla, Schbüzeig-Gruawa, Sogweak-Wastl oder Schleisn-Hubsi.
Herkunft und Breite des Ausdrucks sind schnell geklärt. „Wem gehörst Du?“ beschreibt ein Zuständigkeitsverhältnis, auch wenn es meist um eine familiäre Beziehung oder eine dienstliche Bindung geht. Auch die Adjektive „hörig“ und „gehorsam“, und das Verb „gehorchen“ sind Teil des Lexems. Heute sprächen wir wohl von „Angehörigen“, um soziale Bande der „Gehörigkeit“ zu beschreiben.
Wiener Kinder fern der elterlichen Bleibe, und sonstwie Auffällige wurden direkter befragt: „Wo homsn di ausselossn?“ („Wo haben sie denn dich rausgelassen?“).
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