„Wie nehman denn?“, fragt Dienstmann Hans Moser seine Auftraggeber angesichts des hundehüttengroßen Koffers, der dringend mit zum Bahnhof muß. Die Szene, schon 1923 entstanden und mehrmals verfilmt, gehört zum kulturellen Gedächtnis des Landes. Dienstmänner gibt es keine mehr, Moser weilt im Himmel, und mit Überseekoffern reist niemand mehr. Die Bahn würde sie gar nicht mitnehmen. „Wie nehman denn?“ hört sich aber auch heute noch an wie „wie nennaman denn?“ – welchen Namen geben wir ihm, wie soll jemand, wie soll er, sie heißen. Er, sie, das Frischgeborene, das Nachwüchslein, prosaisch: Das Baby. Ganz klar ist das auch dieser Tage nicht, wie ja nie etwas klar ist in Österreich, von Kaiserwetter-Herbstluft und ausgesuchten Bergseen abgesehen.
Die Frage der Benennung kann Familien spalten, bevor sie überhaupt zu einander gefunden haben. Heißt der Sprössling nach den Eltern des Vaters oder nach denen der Mutter? Sind Sabine-Barbara oder Reinhard-Harald gute Kompromisse oder schlechter Stil? Haben sie zur Konjunktur von Elias, Liam, Finn und Mateo geführt und zu jener von Emily, Lili, Ilvy und Ronja? Und wieso stehen Gust, Pam und Herbert nicht ganz oben auf der Liste?
Weil Namen immer auch Programm sind. In Abwandlung eines Romanbeginns des österreichische Gesellschaftspathologen Heimito von Doderer darf gesagt werden: Jeder bekommt seinen Namen über den Kopf gestülpt wie einen Eimer. Später erst zeigt sich, was darin war. Aber ein ganzes Leben lang rinnt das an uns herunter, da mag einer die Kleider oder Kostüme wechseln, wie er will.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 29. Mai 2021.