Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 20/2021 zum 19. Mai 2021
Liebe Frau Andrea,
während meiner Volksschulzeit in den 80ern des vorigen Jahrhunderts war es ein winterliches Vergnügen, uns gegenseitig die Pudelhauben übers Gesicht zu ziehen und dies mit dem Spruch „Licht spoarn, da Kaiser is gstoarm“ zu rechtfertigen. Immer wieder bewegt mich seither die Frage nach allfälliger historischer Relevanz des Kinderreimes. Und an wen könnte ich mich sonst wenden, wenn nicht an Sie?
Herzlichst,
Peter Pfaffenhuemer, VS Steyregg, per Email
Lieber Peter,
ich kenne Mützenspaß und Begleitspruch aus meiner eigenen Kindheit in den Bad Ausseeer 6oerjahren. Zwei Versionen des Textes zirkulier(t)en, eine von Ihnen bezieht sich auf den Tod des Kaisers, die andere lautet(e): „Licht sparen, hat der Kaiser g’sagt.“ Der Schmäh ist also nicht unbedingt mit dem Ableben des Monarchen verbunden. Im Kaiser dürfen wir den Langzeitregenten Franz Josef I. sehen.
Die Lichtspar-Empfehlung bezieht sich auf den Rohstoff- und Energiemangel der Kriegszeit von 1914 bis 1918. Glühlichtbrenner wurden durch Sparbrenner ersetzt, Glühbirnen nur bis 60 Watt erlaubt. Das Heizen vor dem 15. Oktober war verboten, die Herstellung neuer Gas- und Elektroanschlüsse sowie das Aufstellen neuer Heizungen untersagt. In Folge kriesgbedingter Gas- und Stromknappheit wurden Straßenbeleuchtung, Reklame-Illumination und die Außenbeleuchtung von Hotels, Cafés und Theatern untersagt. Schaufenster durften nur während der Öffnungszeiten, und da auch nur in eingeschränkter Form erhellt werden. Verstöße wurden mit Geldstrafen geahndet. Auch die 1916 erstmals eingeführte Sommerzeit war Teil des Maßnahmenpakets.
Es wundert kaum, dass die Idee des Lichtsparens direkt mit der Umsicht des Kaisers als obersten Kriegsherrn und Beschützer seiner Völker verbunden wurde. Die Auslagerung der Empfehlung in einen Kinder-Streich gibt Hinweise darauf, dass die Maßnahme auch kritisch gesehen wurde. Nach Freud läge hier nicht der harmlose (abstrakte), sondern der tendenziöse (feindselige) Witz vor, der in Aggression, Satire oder Abwehr mündet. Er dient vor allem dazu, sich von moralischen, logischen oder kulturellen Regeln zu befreien.
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