Der Dampf, die Nudel, der Druck

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 18/2021 zum 5. Mai 2021

Liebe Frau Andrea,
ich freue mich jeden Mittwoch über Ihre Zeilen im Falter. Ich habe meine Jugend im oberösterreichischen Schärding verbracht und kann mich noch an den Spruch „Boarische Dampfnudeldrucker, wann mia kemman, miassts es e umiruckan“ erinnern. Was Dampfnudeldrucker sind, konnte mir niemand sagen. Vielleicht können Sie mich aufklären.
Danke und freundliche Grüsse,
Josef Hütter, Seiersberg-Pirka, Steiermark, per Email

Lieber Josef,

Ihre Heimatgemeinde liegt bekannterweise am Inn, durch zwei Brücken über den Grenzfluss mit dem bayrischen Nachbarort Neuhaus verbunden. Der Ihnen erinnerliche Spruch ähnelt vielen anderen, die von männlichen Jugendlichen benachbarter Orte im Rahmen von Distinktionsgewinn ausgetauscht werden. In Ihrem Fall liegt die „befreundete“ Gemeinde sogar in einem anderen Staat. Ins Hochdeutsche übertragen lautet der Spruch „Bayrische Dampfnudeldrucker, wenn wir kommen, müsst ihr rüberrücken!“ Er bezieht sich offenbar auf gemeinsames Sitzen an den Tischen im Gasthaus, wahrscheinlicher aber an den Bänken eines Kirtags. Was aber ist ein Dampfnudeldrucker, jener Ausdruck, mit dem die Bayernburschen bedacht werden? Als Nudeldrucker wird österreichweit der geizige Knauserer bezeichnet, abgeleitet von einem siebartigen Küchengerät, durch dessen Löcher einzelne Nudeln sparsam durchgedrückt wurden. Regional werden damit die Innviertler bezeichnet. Das Kompositum erfährt eine Bedeutungserweiterung durch die Dampfnudel, eine traditionelle Mehlspeise der süddeutschen Küche. In der gängigen Zubereitungsvariante werden Hefeklöße (die Dampfnudeln) in einem Topf mit Deckel gleichzeitig gebraten und gedämpft, sodass ein knuspriger Boden und eine weiche Oberfläche entstehen.

Wie andere Schimpfwörter hat auch der Dampfnudeldrucker eine versteckte sexuelle Zweitbedeutung. Ist doch der Nudeldrucker der Masturbant (wienerisch: Handwaglfahrer), er drückt die Nudel, den Penis. Der Dampf wiederum ist bekanntermaßen ein Synonym für den Alkoholrausch. Nach dieser Etymologie wäre der Dampfnudeldrucker der alkoholisierte Wichser. Dass diese Bedeutung nicht allen am Spott Beteiligten klar ist, spricht für die Harmlosigkeit der Beleidigung.

comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

2 Gedanken zu „Der Dampf, die Nudel, der Druck“

  1. liebe frau dusl,
    wenn sie über dampfnudeln schreiben, sollten sie zur erklärung nicht den ausdruck hefeklöße verwenden. ich glaube, in ganz österreich sagt niemand so, sondern ganz einfach germknödel. und diese werden, so weit mir bekannt ist, nicht gebraten.
    dass innviertler regional als nudeldrucker bezeichnet werden, ist mir neu, aber durchaus möglich.

  2. Guten Morgen,

    Dampfnudel, österr. Buchtel oder Wuchtel

    Dampfnudeldrucker , Wuchteldrucker
    Mehrdeutig:
    Wuchteldrucker
    der, -s, –
    [ Wuchtldrucka ]
    Jemand der ein witzig sein sollendes G´schichterl nach dem anderen heraus- und den Zuhörern rein“druckt“. Ist bei vielen beliebt, Zuhören macht mich auf die Dauer müde.
    Oder Rauscher im Standard
    Für Nicht-Wiener: Eine „Wuchtel“ kann im Wienerischen eine eingemeindete böhmische Mehlspeise (korrekt: „Buchtel“) sein; ein mit besonderer Wucht ins Tor geschossener Fußball und ein von ganz tief unten daherfliegender Witz; ein Serienproduzent von solchen Wuchteln heißt „Wuchteldrucker“.
    Schönen Tag
    Benedikt Braunschmidt

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