Fischers Fritze fischt frischen Wind

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 16/2021 zum 21. April 2021

Liebe Frau Andrea,
schon lange wundert mich, bei der täglichen Wetterprognose von „auffrischendem Wind“ zu hören. Wie kommt das Adjektiv frisch zu seiner Verbalform, wie in „nachmittags frischt der Wind auf“? Es gibt zwar das frische Hendl und den frischen Fisch am Markt zu kaufen, aber ich habe noch nie von einem „auffrischenden Fisch“ gehört.
Bitte um Hilfe!
Kurt Bayer, per Email

Lieber Kurt,

nach gängigem Verständnis dürfen wir mit dem Adjektiv „frisch“ alles bezeichnen, was eben erst geerntet, gefangen, gemolken, geschlachtet, zerteilt, gelegt oder zubereitet wurde. Im Wort Frischling (für das Wildschwein-Ferkel) begegnet uns das Frische auch im Wald. Frischer Atem enströmt dem odolgespülten oder mit Menthol-Kaugummi behandelten Mund. Der Badezimmerbrause entsteigen wir frisch geduscht, der Kirche frischvermählt. Allerlei andere Sauberkeitsereignisse werden mit unserer Vokabel geadelt, Hotelbetten werden frisch bezogen und Parkbänke (gefährlich!) frisch gestrichen.

Die Etymologie des Wortes ‘frisch‘ ist nicht hinreichend geklärt, das Mittelhochdeutsche kennt es als ‘vrisch‘, das Althochdeutsche als ‘frisc‘. Man hat es einem rekonstruierten westgermanischen *friska und einem indoeuropäischen ‘prēska‘ zugewiesen. Im Altenglischen, und hier sind wir wieder bei Ihren Fischen, bezeichnet ‘fersc‘ das Salzlose, Ungesalzene.

Den frischen Wind kennen wir auch ohne Wetterprognosendeutsch aus eigener Erfahrung, wenn wir etwa sagen: „ganz schön frisch (also kühl) heute“ und damit jene im besten Fall angenehme Erfahrung beschreiben, für die unsere großbürgerlichen Urgroßeltern die Sommerfirsche aufsuchten. Dieses ‘frisch‘ kommt aus der Seemannssprache. Der auffrischende Wind ist einer, der zunimmt, die Segel stärker bläht, und auch an Land als kühl, eben ‘frisch‘ wahrgenommen wird. Diese Zweitbedeutung des Wortes ‘frisch‘ könnte das Verb ‘frieren‘ erzeugt haben. Es hieß noch im Althochdeutschen ‘friosan‘. Im englischen ‘freeze‘ und unserem ‘Frost‘ ist es erhalten. Es beschreibt jene Sinneserfahrung des Stechens und Brennens, die im Indoeuropäischen *preus, ‘frieren‘, ‘brennen‘ rekonstruiert wurde.

comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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