Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 14/2021 zum 7. April 2021
Liebe Frau Andrea,
ich habe eine V-Frage: Deutsche sprechen das v in Hannover hart aus, also Hannofer, Österreicher aber Hannower, während Deutsche zu Villach Willach sagen, das man in Österreich als Fillach kennt. Gibt’s da eine antizyklische Logik, ist das Trotz, die Aussprache des Vogel-Vaus für sich zu reklamieren?
Schöne Grüße,
Dirk Wesenberg, Hannover, per Email
Lieber Dirk,
die Toponomastik oder Ortsnamenkunde ist ein Feld voll sonderbarer Blüten. Das liegt im wesentlichen daran, dass verschiedene Ethnien zu verschiedenen Zeiten Ortsnamen anders ausgesprochen haben. Reisende haben zusätzliche Verwirrung eingebracht und Gehörtes falsch verstanden. Kurzum: Es ist kompliziert. Sehen wir uns die Benennungsgeschichte Ihres Heimatortes an. Mein Urgroßvater stammte übrigens auch von dort, weswegen ich selbst seit Kindesbeinen Hannofer zu sagen pflege. Trotz offener Diskussion über die Etymologie der Welfen-Residenz gehen wir davon aus, dass die erste bekannte Ansiedlung abseits einer schon prähistorisch genutzten Furt entstand, nämlich vor Hochwasser geschützt an einem damals schon relativ hohen Ufer, das den Lauf der Leine in Richtung Westen ablenkt. Demnach bedeutet Hannover schlicht (am) Hohen Ufer, auch die Betonung auf „-over“, (-ofer, – ufer) spricht für eine Adjektiv-Substantiv-Komposition und stärkt diese Deutung.
Unabhängig davon wird der Konsonant „v“ im Deutschen immer dann als „f“ ausgesprochen, wenn er am Anfang der Silbe oder des Wortes steht und anschließend entweder ein Selbstlaut (Vogel) oder die Mitlaute „l“ oder „r“ (Vlies, Vroni) folgen. Als „W“ ausgesprochen wird das „V“ in Fremdworten. Das wird Villach zum Verhängnis, in dem die Deutschen (nicht ganz zu unrecht) das lateinische Villa erkennen. Die einheimische Aussprache folgt aber anderen Regeln. So wie aus slowenisch Bistrica (klarer, schneller, reißender Bach) Feistritz wurde, aus Borovlje (von bor, Föhre) Ferlach, aus Breže (Birke) Friesach, wurde aus slowenisch Bela (von bel, weiß) Fellach. Einzig bei Belják, unserem Villach (und einigen kleineren Orten namens Vellach) schummelte sich ein lateinisches V in die Schreibweise. Und nur in diese. Ja, es ist kompliziert.
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Karl Valentin hatte also Recht, sich gegen „Walentin“ zu wehren.
Danke!