Frühjahrsmode

Österreichs Ängste sind vielfältig und historisch gewachsen. Fremdenangst (oft vor Eindringlingen aus dem Nachbardorf), Invasionsangst (stets aus dem Osten!) und die Angst Haus und Hof zu verlieren interessieren uns momentan weniger. Dieser Tage geht um modernere Formen der Furcht. Manche sind so modern, dass erst die Spitzen der Gesellschaft damit konfrontiert sind. Die Angst vor der Hausdurchssuchung etwa, das Grauen vor der Untersuchungs-Ausschuss-Ladung, oder die Panik, persönliche Details aus Chat-Plaudereien in der Zeitung zu lesen. Diesen Zuständen des Bangens und Befürchtens antwortet die Psyche Betroffener mit allgemeinem Vergessen, spezieller Erinnerungsauslöschung und Handyverlust.

Ältere Semester erinnern sich an die Angst vor dem Sicherheitsgurt. Sein verpflichtendes Anlegen ab der Mitte der 7oerjahre schürte tiefsitzendes Grausen, bei einem Unfall lebendig zu verbrennen, festgezurrt im Fluß zu ertrinken, oder den Herztod durch Perforation mit einer gebrochenen Rippe zu erleiden. Die Furchthabenden schnallten sich erst nach Einführung empfindlicher Strafen an. Hilfreich war dabei das unerträgliche Warngeräusch moderner Autos. Die Angst vor dem Piepen löschte die anderen Ängste aus.

Das Irrationale wird stets begleitet von der falschen Bewertung der Wahrscheinlichkeiten. So auch bei der Impfung gegen Covid. Die Angst vor der Nadel wird camoufliert von jener, dies zugeben zu müssen. Als Ersatzangst dient die vor der Thrombose. Dass die Pille und lange Flugreisen diesbezüglich viel gefährlichere Risken bergen, nimmt das österreichische Angstgehirn nur zögerlich zur Kenntnis.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 27. März 2021.

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