Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 08/2021 zum 25. Februar 2021
Liebe Frau Andrea,
ich stieß in der Falter-Rubrik „Hero der Woche“ in Zusammenhang mit der ÖVP auf den Begriff „Schwurbelsprech“. Emotional entspricht das Wort meinem Empfinden, aber was bedeutet es?
Ich freue mich jede Woche über Ihren Beitrag,
vielen Dank dafür! Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Lichtenstern- Geibel, Schwechat
Liebe Elisabeth,
sehen wir uns die Bestandteile des Begriffs an. Das Grundwort -sprech wird an Bestimmungswörter angefügt, um die sprachlichen Ausdrucksformen bestimmter sozialer Gruppen zu bezeichnen. Wir kennen die Komposita Marketingsprech, Journosprech, Fußballsprech – die Möglichkeiten der Neologien sind endlos. Es handelt sich dabei (wissentlich oder unwissentlich) um Analogiebildungen zu „Neusprech“, jenes Ausdrucks, den der Übersetzer Michael Walter für seine Neuübersetzung von George Orwells Roman „1984“ formulierte, um den englischen Ausdruck „Newspeak“ ins Deutsche zu übertragen. „Neusprech“ spielt eine tragende Rolle in Orwells dystopischem Werk, in dem der fiktive totalitäre Staat Ozeanien manipulative Sprachformen benützt, um seine Ideologie im Unterbewusstsein der Menschen zu verankern.
Das Verb schwurbeln gibt es schon länger, seine Bedeutung reicht vom drehenden Taumeln bis zum Reden von Dummem Zeug. Seine Herkunft sehen die Etymologen in einem urgermanisch erschlossenen Verb *swerbana, reiben wischen. Lange Zeit unbenützt hatte es zwischen 1932 und 1937 eine erste, wenn auch kleine Konjunktur, um ab 1990 einen kometenhaften Aufstieg als Synonym für alle Formen des Geschwafels, Gelabers und Geschwätz‘ zu erfahren.
„Schwurbelsprech“ ist mit einiger Wahrscheinlichkeit ein Neologismus von Falter-Herausgeber Armin Thurnher, der das Wort erstmals am 25. April 2001 in seiner wöchentlichen Kolumne „Seinesgleichen geschieht“ verwendete. In einem Exkurs über die Ästhetik der Haideristen und speziell über Karl-Heinz Grassers Rhetorik vermerkt Thurnher: „Der Schwurbelsprech spült die Fragesteller davon, und wer kann sich schon drei Minuten lang merken, was er eigentlich fragen wollte, wenn er sich darauf konzentrieren muss, dass er im Redeschwall eine Pause ausfindig macht, in der er wieder einhaken kann.“
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