Wo liegt die Sutten?

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 05/2021 zum 3. Februar 2021

Liebe Frau Andrea,
mit großem Vergnügen lese ich jede Woche Ihre Ausführungen im Falter.
Ich studiere Skandinavistik und setze mich auch dort intensiv mit Sprache auseinander. Ich befinde mich während des Lockdowns in einem alten Haus im Südburgenland. Das Haus liegt am Hang und auf diesem Hang hat sich Wasser angesammelt und eine Art Sumpf gebildet. Unser Nachbar hat gesagt, dass das eine „Suttn“ wäre (ein Ort an dem Grundwasser bis dicht an die Oberfläche kommt – dieses Phänomen zieht sich auch quer über den ganzen Hang). Ich weiß nicht, ob das jetzt für Sie und Ihr Publikum zu spezifisch-agrarisch ist, aber vielleicht finden Sie es trotzdem interessant.

Bleiben Sie gesund! Mit freundlichen Grüßen,
Monika Gabriel, per Email.

Liebe Monika,

als die Österreicherwelt noch festgefügt war, geschieden in Rot und Schwarz, vereint in großer Koalition, dienten die Ansprachen eines Bundespräsidenten in der Regel der Lähmung der Zuhörenden, sie hatten programmatischen Nullwert. Am 29. August 1980 sollte sich das schlagartig ändern, als der amtierende Bundespräsident Rudolf Kirchschläger auf der Welser Messe eine einsame Boje der Mahnung im Meer der Ruhe aussetzte. In seiner 479. Rede als UHBP erinnerte er daran, dass Sumpfblüten unauffällig nur in einem Sumpfe wachsen könnten. Man wolle also überall mit der Trockenlegung der Sümpfe beginnen, und weil er auf Landwirtschaftsmesse spräche, auch gleich die sauren Wiesen dazu nehmen. Gemeint waren nicht abgesoffene Weidegründe in Gigritzpatschen, sondern der Korruptionsfilz rund um die Errichtung des Allgemeinen Krankenhauses in Wien. Die Anwesenden wussten, dass Kirchschläger damit die Sutten des Landes meinte, verbindet der österreichische Landwirt mit diesem Begriff doch die feuchten Mulden im Gelände, die Senken in Ackerflächen und Wiesen, die temporären Feuchtflächen nach der Schneeschmelze. Neben Morasten, Pfuhlen, Lachen und Jauchenpfützen, in nautischer Hinsicht auch das schmutzige Bodenwasser im untersten Schiffsraum. Das Wort kommt von mittelhochdeutsch sut(t)e, wo es den Morast, die sumpfige Wiese bezeichnete. Womit wir wieder beim UHBP und einem Auszählreim wären: „Sumpf, Pfuhl, Sudl, Kirchschläger Rudl“.


comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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