Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 04/2021 zum 27. Jänner 2021
Liebe Frau Andrea,
alles wartet auf das Jaukerl. Wir wissen, gemeint ist die rettende Impfung. Ich erinnere mich noch dunkel, dass sowohl meine Eltern als auch unser Hausarzt Injektionen als Jaukerl bezeichnet haben. Und zwar nicht nur Schutzimpfungen, sondern eigentlich Injektionen aller Art. Nachdem Injektionen nun derart prominent im Rampenlicht stehen, frage ich mich natürlich: Wird damit das Virus verjagt oder woher mag das Wort stammen
fragt höflichst
Norbert Ingruber, Alsergrund, per Email.
Lieber Norbert,
die Injektion im Sinne des Einspritzens von Lösungen in den Körper kommt vom Lateinischen ‚iniectio‘ und bedeutet wörtlich ‘das Hineinwerfen’. Bei den römischen Ärzten war damit allerdings vorrangig die rektale Einspritzung, das Klistier gemeint. Im 19. Jahrhundert erweiterte sich der Begriff um andere Formen der Einspritzung, von denen dem nichtmedizinischen Publikum die subkutane (unter die Haut gehende), die intramuskuläre (in den Muskel eingebrachte) und die intravenöse (in die Vene gestochene) die geläufigsten sind. Umgangssprachlich-dialektal sind diese Flüssigkeitseinbringungen als Jaukerl (ausgesprochen: Jaukal) bekannt. Wie Sie richtig annehmen, ist damit das Hineingejagte gemeint, kommt doch das dazugehörige Verb jaukn, jagen, treiben, wegjagen vom mittelhochdeutschen ‚jouchen‘, jagen, treiben. Die Mundart kennt auch das Aussijaukn (Rausjagen) und das Fajáukn (Verjagen). Facebook-Memes zur Verwendung als Slogan für das Profil-Bildchen zirkulieren aktuell in Form der Desiderate „Haut’s ma eine des Jaukerl (es Beideln)“ und „Jaukerl jetzt, Oida!“.
Die intravenöse Selbstinjektion nennt der suchtkranke Wiener „fadln“ (vom Einfädeln in die Vene), „druckn“, „si wos fedsn“ (sich was fetzen), „si zuamochn“ (sich zumachen), „si hearichtn“ (sich herrichten), „si Zeig ziagn“ (sich Zeug ziehen, vom Aufziehen des Stoffes in die Spritze).
Wollte man die erwähnten Ausdrücke vermeiden, griffe man zum historisch erprobten Synonym ‚Inokulation‘. Der Ausdruck kommt ursprünglich aus der Gehölzvermehrung und bezeichnet die Veredlung einer Mutterpflanze durch die ruhende Knospe (das ‚Auge‘) einer Edelsorte.
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