Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 03/2021 zum 20. Jänner 2021.
Liebe Frau Andrea,
wenn der neue Falter hereinflattert, fällt mir die Entscheidung schwer, von welcher Seite ich beginnen soll. Meist gewinnen ‚Fragen Sie Frau Andrea‘ oder ‚Nüchtern betrachtet‘ und falten mir Lächler auf das Gesicht. Nun meine Frage: Meine Mutter empfahl uns Kindern, wenn wir etwas verbockt hatten, den Gebrauch von „a Pinkl buart Hadern“ im Sinne von „alle sind die gleichen Gfrasta“ oder „es ist keiner besser als die anderen“. Es hatte was mit dem Pinkl des auf Wanderschaft weilenden Lehrbuben und dem darin sich aufhaltenden Gewändern zu tun. Aber was jetzt genau?
Bitte um Hilfe,
Josef Bartmann, Graz, Umgebung und Tribuswinkel, Niederösterreich, per Email
Lieber Josef,
unser Sprichwort ist altgedient, hat aber weitgehend an Verständlichkeit eingebüßt. Manche sehen im „Pinkl“ das Binkerl, das Bündel, das, ähnlich wie „bunkad“ etwas Dickes, Rundliches bezeichnet. „Buart“, „burt“, das zweite Element in unserer Wendung wird gerne als „Bund“ gelesen, würde also Ähnliches bedeuten wie das Binkl. „Hadern“ schließlich ist hier nicht das zweifelnde Zögern, sondern „der Hadern“, das zerrissenene Stoffstück, das alte, hinfällige Gewebe. In dieser Form, als „ein Binkl-Bund Hadern“ zirkuliert denn auch unser Sprichwort. Nur stimmt das mit seiner Bedeutung „schlechte Leute“, „Gfrasta“, „Gesindel“ nicht überein. Auch der Lehrbub oder der wandernde Geselle gehört nicht zu dieser Gruppe.
Stammt doch unsere Formulierung, wie viele andere in der österreichischen Umgangssprache aus dem Rotwelschen, und sie ist auch keine Bezeichnung, sondern eine Feststellung: „A Pinkl buhrt Hadern“. Der Pinkl, wir kennen ihn aus der Wendung „ein feiner Pinkel“ ist im Rotwelschen schlicht der Mann, pejorativ der übel beleumundete, heruntergekommene. Das Wort kommt wie das Pinkeln vom Penis. Die Hadern haben wir schon als Lumpen identifiziert. Fehlt „buart“, „burt“. Es ist die alte Verbalform zur Bürde, dem „schwer tragen“ (ähnliche sprachliche Prozesse formten aus tragen Tracht und aus laden Last). Unser Sprichwort bedeutet also: Ein Lump (a Pinkl) trägt (burt) Lumpen (Hadern). Oder: Den Lump erkennt man an seiner Kleidung.
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