So gerne wir auf der Scholle ackern, den Forst durchstreifen, und über die eisige Piste wedeln, so gerne gehen wir Österreicher in den Untergrund. Über unsere Liebe zu den Kellern ist schon viel gesagt worden (mehr allerdings verschwiegen). Im Bemühen, vor dem Tageslicht zu fliehen und im Stollen Wertvolles zu finden, eroberten wir das Innere der Berge. Die Wiener Innenstadt rühmte sich einst, unter der Erde dreimal so groß zu sein wie oberhalb, der Grazer Schloßberg ist durchlöchert wie Emmentaler, und Linz hat immerhin mit der Grottenbahn am Pöstlingberg geantwortet. Der Wilde Westen des Landes ist schneefreien Hauptes nur durch den Arlbergtunnel erreichbar. Das muss man wissen, um zu verstehen, dass Österreichs Ingenieure ihre Kindheitserlebnisse (das Löchergraben am Adriastrand gehört dazu) professionalisiert haben. Weltweit in höchstem Ansehen steht die Neue Österreichische Tunnelbaumethode (NÖT).
Der Freude am Erreichten muss in Österreich immer wieder durch Kritik begegnet werden, weshalb jahrzehntelang verhindert wurde, dass andere Bundesländer miteinander vertunnelt wurden. Auch die metropolitane Unterminierung Wiens gelang erst gegen heftigste Widerstände der Obertagfraktion.
Tunnel gehören ungeachtet komplexer Zuneigungsoszillationen zum kulturellen Erbe Österreichs. Es darf also nicht wundern, dass das erfolgreiche Durchmessen einer strapaziösen Dunkelstrecke (Corona) zur wirksamen Metapher für das Ende der Unterirdischkeit wurde. Sebastian Kurz sprach vom Licht am Ende des Tunnels.
Es ist jetzt da.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 7. November 2020.