Wer sich keilt, der liebt sich

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 44/2020 am 28. Oktober 2020.

Liebe Frau Andrea,
es besteht ein Auffassungsunterschied zwischen der Frau, mit der ich am liebsten Zeit verbringe, und mir bezüglich des wienerischen (?) Verbs khäun/keilen. Sie meint, das Wort beschreibe einen Zungenkuss, ich finde, die genitale Vereinigung zweier Menschen. Wer hat Recht, hoffentlich nicht beide? Also ich bin sehr gespannt, was Sie ermitteln.
Beste Grüße,
Martin Anton, nähe Lugner City, per Email

Lieber Martin,

die Bundeshauptstadt ist kein abgeschlossener Sprachraum, seit jeher ist das Wienerische ein wild vor sich hinwuchernder Gemüsegarten, in dem Ausdrücke und Benennungen aus allen möglichen Gegenden vortrefflich gedeihen. Es darf uns daher nicht wundern, dass wir im Florilegium unserer Wahrnehmungen ähnlich Lautendes zusammentun.

In der Hochsprache finden wir Keil und Keule, beides Werkzeuge phallischen Charakters. Die Keilerei (eigentlich Keulerei) beschreibt den Kampf, selbst wenn er vom zudringlichen Staubsaugervertreter nur mit sprachlichen Mitteln betrieben wird. Die deutsche Jugendsprache kennt den Ausdruck „sich einen keulen“, für die männliche Masturbation, hier ist die Keule das Synonym für den Penis als Objekt autoerotischer Manipulation. Volksetymologisch produktiv ist die keiltreibende Natur des Zungenkuss – eine Liebestechnik, die allerdings erst das Hollywood der 30erjahre als Verhüllung des Geschlechtsverkehrs etabliert hat.

Das Wienerische greift auf ältere Etymologien zurück. Das Rotlichtmilieu und seine Besucher kennen den Ausdruck Käuli für die Prostituierte, in der altwiener Dialektliteratur noch Kali geschrieben. Es kommt von jiddisch Kalā, Schwiegertochter, Braut. Vulgär formte das Rotwelsche daraus Kalle, das „mannstolle Weib“, die Hure. In der Knalle schließlich verschmolz die Kalle mit der Schnalle, dem Flittchen (nach der jägersprachlichen Bezeichnung für die Vulva der Wölfin).

Der sprachliche Mechanismus, der aus Knalle die Verbalform „knallen“ (wienerisch „knoin“) formte, sorgte dafür, dass aus Käuli „käulen“ (wienerisch „khäun“) wurde. Wem das zu urban ist, darf auf das „budern“ ausweichen, es kommt von der repetitiven Anmutung des Stoßens beim Buttermachen.

comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert