Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 40/2020 am 30. September 2020.
Liebe Frau Andrea,
in einem Wahlspot der Bierpartei ist von einem „Futkanister“ die Rede. Was ist das denn?
Liebe Grüße,
Ihre Karin F. Knolle, Fucking, per Email
Liebe Karin,
im Wien des Jahres 2057 schleppen sich zwei abgesandelte Alko-Opas durch einen nächtlichen Gastgarten: Altbürgermeister Dr. Marco Pogo (Punkgitarrist und Satirepolitiker Dominik Wlazny) und sein Haberer (Kabarettist und Sänger Paul Pizzera). Ein Krügel in der Hand, auf Stock und Rollator gestützt, erinnern sie sich an die 2020erwahl. An Hetzer und Burschenschaftler und den Wahnsinnigen von Ibiza. Die beiden sind froh, dass die Wiener damals die Bierpartei gewählt haben, Herz, Toleranz und Respekt, einen Bierbrunnen und das bedingungslose Grundfassl. Warum ist Wien schon lange nicht mehr unfreundlichste Stadt der Welt? Trachtenhutträger Pauli erinnert Gutmensch Pogo daran: „Weil du Futkanister, du schiacha aus’m 11. Wiener Gemeindebezirk, viel zu weichgespült worden bist durch die Politik im Gemeinderat.”
Nicht allen Wienern ist die inkrimminierte Vokabel geläufig. Die Wortbestandteile sind einfach zu dechiffrieren: Fut ist die Wiener Bezeichnung für das weibliche Genital, verwandt mit Fotze, Futteral und Futter (der Innenseite von Kleidern und Taschen). Der Kanister wiederum, ein verschließbarer Behälter, der Aufbewahrung und dem Transport von Flüssigkeiten dienlich, kommt von lateinisch „canistrum“ und griechisch „kanastron“, dem aus Rohr (kanna) geflochtenen Korb.
Mit großer Wahrscheinlickeit ist Kanister aber nur die volksetymologische Version eines Verhörers. Das Jenischen, die Sprache der Vagabunden kennt „Kanof“, „Kanuf“, als Auskundschafter, Ausspäher, Kundschafter. Möglicherweise ist hier auch der rotwelsche „Kneif“ oder „Kanif“ produktiv geworden, verwandt mit englisch knife (Messer) und französisch canif (Federmesser), und Synonym für das Penetrationsorgan. Ist doch „kanifeln“ im Rotwelschen eine Bezeichnung für den Koitus. Das Westjiddische schließlich kennt „Kanife“, die Schmeichelei.
Somit ist der Futkanister wahlweise der Vaginalkundschafter „Futkanif“ oder der kundige Scheidenschmeichler „Futkanife“.
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