Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 36/2020 am 2. September 2020.
Liebe Frau Andrea,
im Haus meiner Oma im Mostviertel gab es unter der Stiege und im Obergeschoß bei der Dachschräge zwei Wullewux-Kammerl. Der Wullewux haust anscheinend an dunklen Orten, er holt auch schlimme Kinder. Vor Jahren habe ich versucht, näheres herauszufinden und bin schnell angestanden. Meine Erklärung war, dass der rätselhafte Geist möglicherweise mit meinem Opa aus dem Banat gekommen sei. Französisch oder Rumänisch sprechende Leute konnten aber auch nichts damit anfangen. Jetzt hat Guido Tartarotti eine neue Freundin aus Scheibbs und hat im Freizeitkurier über sie und den Wullewux geschrieben. Also doch kein Zuagraster. Die beiden wissen aber auch nicht mehr.
Können Sie mir helfen? Mit freundlichen Grüßen
Elke Zwick, Wien, per Email
Liebe Elke,
die Lösung Ihres Rätsels finden wir nicht in Scheibbs, sondern ganz wie sie vermuteten, in der Heimat ihres Großvaters. Wie ich annehmen darf war dieser Banater Schwabe, also Angehöriger der deutschsprachigen Bevölkerung jener historischen Region Südosteuropas, die heute in in den Staaten Rumänien, Serbien und Ungarn liegt. Seit dem Ende des 17. Jahrhundert wurden in dem durch Kriege entvölkerten Gebiet „Schwaben“ angesiedelt, die tatsächlich aus Franken, Bayern, Österreich, dem Elsass, Lothringen, Luxemburg, Baden und aus der Rheinpfalz stammten.
Unser Wullewux kommt mit großer Wahrscheinlichkeit aus letztgenannter Pfalz. Dort kennt man den Wullewuks, Wullewutz, Wollewoks, Wulloks und Wolleks als schaurige und schmutzige Schreckgestalt, mit der man Kindern droht oder sie ängstigt. Unzutreffend ist die Volksteymologie, nach der hier lautmalerisch eine Anspielung auf ein „voulez vous“ feindlicher französischer Soldaten vorliegt. Tatsächlich haben wir es mit der sagenhaften Frau Holle zu tun, lokal als „Frau Wulle“ bezeichnet „Wullewulle“ ist auch Name und Lockruf für die Gänse, bevor sie ihre schneeweißen Daunen lassen müssen. Ob der Wullewux ein koboldhafter Begleiter der Frau Wulle ist oder nur eine Maskulinisierung, müssen ethnologische Instanzen klären.
Wiener Kinder konnte man mit dem Tod schrecken, Quiqui, Buttnhamme, Gankal, Ginkal oder schlicht „Gscheada Hansl“ genannt.
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