Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 34/2020 am 19. August 2020.
Liebe Frau Andrea,
unlängst hab ich mir von einer Nachbarin einen Akku-Schrauber ausgeborgt. Er war nicht ganz aufgeladen, ich habe ihn daher ausprobiert. Sie hat daraufhin gesagt, ich soll nicht so „urassen“, sonst könne ich die Schrauben nicht mehr festziehen. Mir ist der Begriff und seine Bedeutung geläufig, ich hab mich aber gefragt, wo das schöne Wort „urassen“ eigentlich herkommt.
Mit der Bitte um Aufklärung verbleibe ich hochachtungsvoll,
Peter Legat, Wien Neubau, per Facebook-Direktnachricht
Lieber Peter,
wir wollen den Begriff auch für Nichtwiener fassen. In gängigem Verständnis wird damit der verschwenderische Umgang bezeichnet, das Vergeuden von Ressourcen des Haushalts. Wenn also die Frau Nachbarin den Akku-Schrauber herborgt und vorm Urassen warnt, meint sie damit das nutzlose Verschwenden von Ladungsmenge durch schraubenfernes Herumprobieren. Das ist ein probates, wenn auch nicht typisches Anwendungsbeispiel unseres Begriffs, wird er doch meist in der Küche verwendet. Im Bairisch-Österreichischen, Schwäbischen, besonders aber im Wienerischen bezeichnet urassen das Vergeuden und Verschwenden von Lebensmitteln, es kommt wie so vieles im alten Wienerisch aus dem Althochdeutschen, wo *urâzi (mittelhochdeutsch *uræze) soviel wie „essen“ bedeutete. Im Laufe der Zeit dehnte es sich zu „sehr heikel sein im essen“, „gute Sachen nicht zu essen, dieselben wegzuwerfen oder zu verschenken“, „zu verwüsten“, „zu verwirtschaften“, „verschwenderisch oder wegwerfend umzugehen mit Sachen“, und schließlich: „beim Essen mehr unbrauchbar zu machen als wirklich zu essen“.
Das Wienerische kennt neben unserem urassen noch andere spezifische Synonyme für die Ressourcenvergeudung, so aussehaun (hinauswerfen) und ausseschmeißn (hinausschmeißen), fablempan (verplempern), fabrássn (verprassen), fabródln (verbrodeln), fabúifarn (verpulvern), fadrán (verdrehen, verkaufen), fadúan (vertun), fajúkssn (verjuxen, von Jux, Spaß), fajúwen (verjubeln), faschéissan (verscheißern) und faschéissn (verscheißen), faschúasdan (verschustern) und das sehr gerne gebrauchte fawíkssn (verwichsen).
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