Österreichs Werkzeuge

Österreich ist ein Land der Werkzeuge. Nach gängigem Verständnis der Entwicklung der Menschheit ist der Gebrauch von Werkzeugen ein Hinweis auf intelligentes Handeln. So sind auch Werkzeuge die ältesten Hinterlassenschaften von Homo sapiens. Faustkeile, Pfeilspitzen, Feuersteinklingen, die Asche von Speeren, Hackengriffen und Wurfhölzern. Sie füllen die Lagerhallen der Archäologen und die Schaukästen der Museen. Ganz eingedenk dieses imposanten Erbes haben sich die Österreicher (die Österreicherinnen sind diesmal nicht vollständig mitgemeint) ganz der Pflege und dem Erwerb von Werkzeugen verschrieben.

Die Liebe zu Sägen, Hämmern und Bohrern, zu Schleifpapier und Pinselrollern stellt jene zu Autopflege und Gartenbetreuung in den Schatten. Des Österreichers wichtigster Ort ist noch vor Trafik und Waschstraße: Der Baumarkt. Er ist ein Reich tiefer Hingabe an die Schaulust. Mitarbeiter verstecken sich geschickt, um Kunden nicht bei der Andacht zu stören. Die Bundesregierung hat der österreichischen Leidenschaft für das Werkzeug auch in coronagebeutelten Zeiten liebevolle Anerkennung gezollt. Die Baumärkte waren die ersten Kauftempel, die nach dem Lockdown der Ersten Welle wieder ausperren durften. Aufsperren mussten, ergänzen die Anthropologen.

Das einzige moderne Werkzeug, mit dem der Österreicher (wieder sind die Österreicherinnen nur tangential mitgemeint) spärliche Freude verbindet, ist die Maske, vulgo der Mund-Nasen-Schutz. Die pandemische Unversehrtheit ist ein Werkstück, das hierzulande noch der gerätschaftlichen Zuneigung harrt.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 1. August 2020.

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