Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 27/2020 am 1. Juli 2020.
Liebe Frau Andrea,
der Wiener Gesundheitsstadtrat meinte dieser Tage, Wien sei halt nicht Gugelhupfpatschen, das ich bisher nur als „Gigeritzpatschen“ kannte. Bitte können Sie die unterschiedlichen Namen für den Inbegriff eines kleinen unbedeutenden Ortes aufklären?
Mit Handkuss,
Mirko Burijan, Wieden, per Email
Lieber Mirko,
um eine Örtlichkeit äußerster Provinzialität zu bezeichnen, können wir aus einem reichhaltigen Menü an existierenden und erfundenen Namen wählen. In der norddeutschen Kleinstadt Buxtehude, idyllisch in den Elbmarschen gelegen, spielt das Märchen vom Hasen und vom schlauen Igel. Das nordwestdeutsche Posemuckel wurde in zwei tatsächlich existierenden Orte in Posen lokalisiert, der Name leitet sich vom polnischen „pod mokle“ (am Sumpf) ab.
Seit etwa 1920 zirkulieren Nachrichten über den fiktiven Ort Hintertupfing, irgendwo im Süden Deutschlands, verewigt im Haltepunkt Hintertupfingen der Modelleisenbahnfirma Faller. Östlich der Weser kennt man das verschlafene Dorf Kleinkleckersdorf. Für kleinstädtische, spießbürgerliche Beschränktheit steht Krähwinkel, Schauplatz von Satiren Jean Pauls und Tucholskys, und von Lustspielen Kotzebues und Nestroys. Spätere Prominenz hat Trippstrill (wienerisch Drippsdrüü) erfahren. Sprachforscher wollen es im württembergischen Treffentrill ausgemacht haben. Drepsdrell hieß zudem in Ostpreußen ein langsamer, einfältiger Mensch.
Tiefste österreichische Provinz bezeichnen die Ortsnamen Khiadreckgschdettn (Kuhdreck-Gstetten), Sticksnudelau, St. Pankraz am Gebüsch und das legendäre Schasklappersdorf, Fernschmerzort von Kabarett-Großmeister Lukas Resetarits.
Wo aber liegt Gigritzpatschen? Lange wurde das Zentrum der österreichischen Provinz zwischen Scheibbs und Nebraska lokalisiert. Tiroler meinen es allerdings in Gries bei Bozen zu erkennen. Obwohl der österreich-ungarische Grenzbahnhof im trentinischen Ala (Ahl am Etsch) lag, hielt man Gries-Bozen nach dem Verlust Venetiens 1866 für die von Wien am weitesten entfernte österreichische Bahnstation.
comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina
Internetfund: „Schaskraxn an der Blunze“.
https://twitter.com/sybille_zeisel/status/1714887340223586783
Internetfund: „St. Veit an der Sehnenscheide“.
Markus Huber @markus_vgf