Alle Jahre wieder trifft uns der Termin mit voller Wucht. Das ist bemerkenswert für ein Land, das die Feierkunst im Blute hat. Die Kraft des kalendarischen Einschlags übertrifft jene des Hahnenkammrennens und des Villacher Faschings, der beiden anderen Feste mit überregionaler Provinzbedeutung. Wer Rang, Namen und Frack hat, begibt sich auf den Opernball. Die Logen haben die mit dem Geld.
Die Anziehfrage war früher einfacher zu beantworten. In Zeiten konzentrierterer Eleganz trugen Damen von Rang und Namen Abendkleid, Debuttantinen eines in Weiß, mit Krönchen im Haar. Herren trugen ausnahmslos Frack und Orden. Mann zeigte, was Mann hatte, weil der Opernball in aller Regel die einzige Gelegenheit war, republikseigene und fremdländische Dekorationen anzulegen. Experten munkeln, Orden und Ball seien kommunizierende Gefäße, der Ball habe nur eine Funktion, nämlich die, den Tragebefugten die Möglichkeit zu geben, ihre Kreuze, Großkreuze und Ehrenzeichen zu zeigen. Und diese würden nur deswegen verliehen, um den Opernball als Republik-Salon zu affirmieren.
In vormodernen Zeiten war der Ball tatsächlich „Alles Walzer“, weil der Wiegetanz die Herzen lockerte, die Hüften sowieso. Das ist längst nicht mehr so. Walzer und Quadrillen sind nur mehr choreographische Fetische, das Gezappel und Gehopse zu modernen Rhythmen findet weit größeren Gefallen.
In der Kleiderfrage haben schillernde Kunstpersonen aus Baumeisterkreisen und zuletzt Chanteuse Wurst aus dem Hause Conchita wertvolle Erosionsarbeit geleistet. Sollte der Herr Vizekanzler den Ball beehren, wird die Frackmaschenfrage die geringste sein.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 25. Jänner 2020.