Wir stellen einen Baum auf

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 04/2020 zum 22. Jänner 2020.

Liebe Frau Andrea,
23. Dezember, ich war gerade auf dem Weg zu meiner Mutter, um den Christbaum aufzustellen. Dabei kam mir die Redewendung „an Bam aufstellen“ in den Sinn. Nur woher kommt diese Redewendung? Eine Internet-Suche liefert unter anderem Stenographie-Protokolle aus dem Parlament, aber leider keine Erklärung.
Danke und beste Grüße,
Georg Regal, per Email

Lieber Georg,

das Vorkommen unserer Redewendung vom Aufstellen eines Baums in parlamentarischen Redebeiträgen zeigt die tiefe Verwurzelung des Themas (Achtung Sprachspiel!) im österreichischen Sprachalltag. Die angesprochenen Nationalratsabgeordneten, beredte Vertreter des heimischen Idioms, bezeichnen damit in der Regel den passiven Widerstand, das Erzeugen von Hindernissen, die Obstruktion.

Welcher Baum aber ist gemeint, wenn sein Aufstellen angesprochen wird? Sehen wir hier den Christbaum, den Maibaum, den jungen Setzling im Aufforstgebiet? Hören wir hier gar ein Echo auf germanische Donner-Eichen, Welt-Eschen, Irmin-Säulen und anderes heiliges Gehölz? Und was ist überhaupt ein Baum?

Sprachgeschichtlich gesehen kommt unser Wort vom althochdeutschen boum und ist verwandt mit dem altsächsischen und mittelniederdeutschen bōm, dem gotischen bagms (Baum) und dem altschwedischen bagn (Stock). Eine einheitliche germanische Grundform konnte jedoch nicht mit Sicherheit erschlossen werden. Nach etymolgischer Schulmeinung ist eine Herleitung aus der indoeuropäischen Wurzel *bheu, wachsen, gedeihen, sich „aufbäumen“, bauen, wahrscheinlich.

Einen weiteren Hinweis zur Lösung unseres Rätsels gibt die englische Sprache, wo „beam“ den Balken bezeichnet. Und schließlich heißen die, einseitig am Mast eines Schiffes angeschlagenen Querstangen, die zum Aufspannen und Trimmen der daran befestigten Segel dienen: Bäume. Die Skipper benennen sie nach den Segeln, die an ihnen befestigt sind: Großbaum, Besanbaum, Fockbaum. Unser Baum ist also ein beweglicher Balken. Wir sind beim Schlagbaum, dem Kontroll-Hindernis, und damit wieder an Land angekommen. Den Schlagbaum, die Schranke stellen wir auf, wenn wir „einen Baum aufstellen“. Bam, Oida.

comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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