Silvester

Alle Jahre wieder trifft uns das Ende des Jahres mit zärtlicher Wucht. Monatelang waren wir langsam auf das Finale zugeschlittert. Hatten adventelt, firmengefeiert, geweihnachtet. Kaum zur Ruhe gekommen, rast der Silvestertag auf uns zu. Oder wir auf ihn. Es gilt, Jahresend-Zubehör zu erstehen: Winzige Hufeisen, Miniatur-Kleeblätter, Liliput-Schweinderl, Kleinst-Fliegenpilze und Taschen-Rauchfangkehrer. Was man halt so braucht in der Glücksbringerei.

Anders als Weihnachten ist Silvester kein Fest der Stille. Ganz im Gegenteil. Es knallt und lärmt. Haustiere und Kriegstraumatisierte haben jetzt schwere Zeit. In galoppierender Enthemmung schütten wir uns mit Prozentigem zu, gießen seltsame Figuren aus hohlem Blei (meist Delphine, Silberbarren und Segelboote), vermüllen unsere Wohnzimmer mit Papierschlangen und Konfetti, und schauen uns diabolische Fernsehsendungen mit Humpta-Faktor an.

Langsam tuckern die Stunden dem Datumssprung zu, die Zeit stemmt sich ein letztes mal gegen ihr Fortschreiten, Stunden werden zu Tagen, Minuten zu Stunden, ganz so, als wolle das Jahr dann doch nicht enden. Jetzt hebt das große Klirren an, Sektflöten werden bereitgestellt, Schampus und anderer Teuersprudel in die Kübel gerammt. In männlich intoxikierten Haushalten werden die Raketen in die Abschussrampen gefädelt. Und dann geht alles ganz schnell. Dann tickt die Uhr ihre letzten zwanzig Sekunden ab, aus Omas Radio schallt das Band mit der Wiener Pummerin, dann greifen wir uns den Nächsten und die Nächste und tanzen den Donauwalzer (auch an der Salzach) und kaum kommt uns das Wort „Prosit!“ über die Lippen, sind wir ein Jahr älter geworden.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 28. Dezember 2019.

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