Koalidrom

Bildung ist in Österreich alles. Ein Stätte höchster Schulung ist der Kirtag, der Jahrmarkt, das Volksfest. Schon von Kindesbeinen an werden wir mit dem Rummel und den dort zu treffenden Entscheidungen vertraut gemacht. Es gibt kein Belustigungsfest ohne Wahlentscheidung. Soll am Glückrad gedreht werden oder der Mund der Wahrheit befragt werden? Will die Hochschaubahn erklommen werden oder das Märchen-Karussel? Fährt man mit der Geisterbahn oder lässt man sich im Tagada krankschütteln?

Größer Beliebtheit erfreut sich das Autodrom. Ein Belustigungsort höchster Österreichischkeit. Mit Vollgas auf einander zufahren! Hurra! Hossa! Jawoi! Hier werden alle Fertigkeiten im nationalen Daseinskampf erprobt: Anderen nachfahren, sie aber nie erreichen. Sich selbst in Gefahr bringen, um anderen damit zu schaden. Täuschen ohne zu tarnen. An die Kraft des Unfalls zu glauben und den Zusammenstoß als Leidenschaft zu erleben.

Es wundert kaum, dass auch die hohe Politik die Drehwurmkunst der Krawallfahrt verinnerlicht hat. Man liebt die Überschaubarkeit des Parcours. Geht auf in der Frage, wer mit wem gegen wen sonst noch. Damit verbunden lockt der Diskurs, ob die Alleinfahrt der Paarfahrt vorzuziehen wäre, oder ob zwei Kleine mit einem Großen auch Unfälle bauen dürfen. Direkt aus dem Autodromradau kommt die gelebte Usance, bei nahender Übelkeit das Fahrzeug zu verlassen, sich kurz um Retourhunger zu erleichtern und die nächste Runde anzusagen. Zusehende Zurufer haben es beim Autodrom übrigens auch lustig. Nennen wir diese Leute „Presse“.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 5. Oktober 2019.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert