Macht Tracht

Die Festspiele sind zu Ende gegangen, die Kinder drücken wieder die Schulbänke, die Sommerfrischler ihre Schreibtische, Verkaufsregale und das Fließband. Österreich ist aufs Eigene zurückgeworfen. Das Eigene aber ist eine Lücke, die schmerzt. Ganz der Tradition einer Kulissenrepublik verpflichtet, wird sie mit Schauspiel gefüllt. Das Stück, das gegeben wird, heißt „Haimat“ und ist der „Ainhaimischkait“ gewidmet. Der bierschwangere Vorfasching steht ganz im Zeichen der nationalen Einschau. Seine Orte sind der Kirtag, das Bierzelt und neuerdings auch die aus Bayern eingeführte Wiesn.

Ahnherr des trachtengeilen Verkleidungswahns ist Nationalheld Erzherzog Johann. Dieser hat sich 1819 in die Ausseer Postmeisterstochter Anna Plochl verknallt. Mit den Worten: „Ist sie mir guth?“ hat der ganze Rummel angefangen. Lange vor der Romanze zwischen Franzl und Sisi in Ischl. Schon zu Johanns Zeiten notierten die Chronisten: „Aus der Fäulnis der Wiener Zeit unter Franz stammen auch die falschen Steyrer. Blasierte Gecken aus der Residenz.“ Auch Selbsthasser Thomas Bernhard graute vor dem angereisten Klüngel: „Schriftsteller, Komponisten, Komödianten, dieses ganze Gesindel“, schimpfte er, „gehen in Dirndlkleidern herum und in Lederhosen und machen sich mit Fleischhauern und Holzhackern gemein.“

Aber die Ainhaimischen! Die dürfen doch! Dürfen die Lederne tragen und das altehrwürdige Dirndl. Den Almrausch ins Haar stecken und den Gamsbart aufs Hiatl!

Gäbe es noch Fleischhauer und Holzhacker und Postmeisterstöchter. Und wären Lederne und Dirndl noch ainhaimisch.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 14. September 2019.

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