Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 37/2019 zum 11. September 2019.
Liebe Frau Andrea,
Birnen sind süßer als Äpfel, Äpfel haben mehr Vitamin C als Birnen. Äpfel sind rund, Birnen sind, naja, birnenförmig eben. Warum darf man so etwas nicht sagen, wieso darf man „Äpfel nicht mit Birnen vergleichen“?
Liebe Grüße,
Theo Anders, Wien Rudolfsheim-Fünfhaus, per Email
Lieber Theo,
unsere Redewendung kommt immer dann zum Einsatz, wenn zum Ausdruck gebracht werden soll, dass Dinge oder Qualitäten scheinbar ähnlich sind, aber doch grundverschieden. Die Formulierung könnte auch lauten: „Äpfel und Birnen sind gleich und ungleich zugleich“. Das Sprichwort vom unzulässigen Vergleich von Äpfeln mit Birnen ist neben dem Deutschen in ganz Europa verbreitet, so im Dänischen, Italienischen, Kroatischen, Luxemburgischen, Niederländischen, Rumänischen, Schwedischen, Serbischen, Slowenischen, Spanischen, Tschechischen, Türkischen und Ungarischen. Die Gründe für diese große Verbreitung sind noch nicht hinreichend geklärt.
Das Englische und Quebec-Französische verwendet statt der Birnen Orangen, was auf internationalen, ja transkontinentalen Export schließen lässt, kommt doch das Orangenwort Apfelsine (wörtlich: Apfel aus China) aus dem Niederländischen, wo wir es als ‚appelsien‘ kennen. Parallel zum Apfel-Birnen-Vergleich haben andere Sprachräume grotesken Synonyme etabliert. So vergleicht das Serbische Großmütter mit Kröten, das Rumänische selbige mit Maschinengewehren, dazu Kühe mit Bienenstöcken und Roma mit Filzsstiften. Waliser mobilisieren Honig und Butter, Dänen fragen, was höher sei, runde Türme oder Donnerschläge, Polen, was Lebkuchen und Windmühlen gemeinsam sei. Russen verbieten sich Vergleiche zwischen warm und weich, Argentinier fragen, was Liebe und das Auge einer Axt gemeinsam haben. Kolumbier sind direkt und warnen davor, Scheiße mit Salbe zu verwechseln.
In der Zusammenschau aller Möglichkeiten, Vergleichbares unvergleichlich zu halten, imponiert mit größter semantische Klarheit eine britische Version. Sie warnt seit mindestens 1393 davor, „chalk and cheese“ nicht zu verwechseln. Das Sprichwort gelingt auch im Deutschen: Man möge doch Kalk und Käse nicht vergleichen.
comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina
Kreide, Frau Dusl, Kreide – nicht Kalk.
Kreide ist Kalk.