Aufgewachsen hinter grünen Jalousien
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Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 41/2019 zum 9. Oktober 2019.
Verehrteste Frau Andrea,
Wenn sich meine Großmutter über bornierte, arrogante lebensfremde Menschen echauffiert hat, war ihr Kommentar, „hinter die grünen Jalousien aufgwachsen!“ Wo waren diese und wo sind solche Menschen aufgewachsen. Dank für zweckdienliche Hinweise,
beste Grüße,
Eva Blimlinger, Wien, per Email von meinem iPhone gesendet
Liebe Eva,
der Begriff führt uns in Zeiten, in denen sich Klassenunterschiede in weit stärkerem Ausmaß im Wohnen manifestierten. Wer hinter den sprichwörtlich grünen Jalousien aufwuchs, war Teil einer auf Distinktion und Abgeschiedenheit bedachten bürgerlichen Welt. Von außen (und unten) konnte das auch als Arroganz und Dünkel wahrgenommen werden. Der Verleger Fritz Molden stellte 1997 Autobiographisches vor: Aufgewachsen hinter grünen Jalousien. Vergessenen Geschichten aus Österreichs bürgerlicher Welt.
Was dürfen wir uns unter Jalousien dieser Zeit vorstellen, und warum waren sie grün? Im Alten Wien verstand man unter dem Begriff multipel klapp- und schwenkbare äußere Fensterflügel mit verstellbaren Lamellen. Die Stellläden spendeten sommers Schatten und erlaubten frische Zugluft. Die Italiener nannten die saisonal eingehängten Kleinklimaregulatoren Persiana, die Franzosen Persienne oder Abattants (Klappen). Das in Wien zirkulierende Wort Jalousie wurde im 18. Jahrhundert aus dem gleichbedeutenden französischen jalousie entlehnt, dieses wiederum kam über das altfranzösische jalosie (Eifer, Verlangen, Eifersucht) und dem altprovenzalischen gelozia, vom lateinischen zelosus (eifervoll, voll fürsorglicher Liebe), dem unmittelbar das griechische zḗlos (Neid, Eifersucht) zugrunde liegt. Die Jalousie war der Sommerladen, durch den man vor neugierigen oder zudringlichen Blicken von außen geschützt war, dessen Ritzen aber einen Blick nach draußen erlaubten.
Warum aber sind Jalousien traditionell grün? Eine magische und eine hygienische Ursache waren hier produktiv. Grün ist das schattenspendene Blätterdach des Parks und der Laube – giftig und damit Insekten abwehrend waren die verschiedenen hochmodischen, arsenhaltigen Grünpigmente der Zeit.
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