Der Hofrat in der Republik

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 34/2019 zum 21. August 2019.

Liebe Frau Andrea,
die amtierende Bundesregierung aus hohen und höchsten Beamtinnen und Beamten hat mich auf eine Frage zurückgeworfen, die schon länger fundierter Beantwortung harrt. Wieso gibt es in der Republik Österreich noch Hofräte?
Mit dem Ausdruck vorzüglichster Hochachtung, Ihre
Catharina Makeléer, Leopoldstadt, per Email

Liebe Catharina,

der allzu österreichische Titel des Hofrats (und längst auch der Hofrätin) geht auf eine Institution der frühen Neuzeit zurück, die als Höchstgericht des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation, aber auch in der Verwaltung und als kaiserliche Beratungs-Instanz arbeitete. Der Hofrat oder Reichshofrat war direkt dem Kaiser unterstellt und stand über allen Regierungen und Kammern. Schon Maximilian I. hatte seinen Hofrat 1497 ausdrücklich als Rat für Reich und (österreichische) Erbländer konzipiert.

Die Amtsträger dieser Behörde wurden Hofrat genannt, seit dem 18. Jahrhundert auch in der rein österreichischen Verwaltung. Daneben gab es den Geheimen Rat, der den Kaiser politisch beriet, und den Kaiserlichen Rat (ein Ehrentitel mit Hofzugang). Alle drei Titel überlebten den Untergang des Heiligen Römischen Reichs. Der Hofrat als Titel für höchstes österreichisches Beamtentun überstand 1918 sogar unbeschadet den Untergang der Monarchie. Als Ehrentitel vom Bundespräsident an Gymnasialdirektoren und Richter verliehen, unterscheiden Kundige diesen „Titular“-Hofrat“ vom „wirklichen“ Hofrat, dem Amtstitel für „wirkliche“ Beamte der höchsten Dienstklassen. Wird der Titel erst anlässlich des Übertritts in den Ruhestand verliehen, verstehen sich Betroffene als „Grabsteinhofrat“. Der pensionierte, aber lebende Hofrat ist unabhängig von seiner Wirklichkeit „Hofrat i. R.“, Hofrat im Ruhestand.

Überwirkliche Einblicke in die österreichischen Viszeralzustände erlaubt der 1947 gedrehte Heimatfilm „Hofrat Geiger“. Sein urösterreichisches Thema, die unkomfortable Durchmischung von Klassen, Begabungen und Möglichkeiten resonierte in der außergewöhnlich hohen Zahl von 2.548.000 Kinobesuchern. Er gilt damit als wirtschaftlich erfolgreichster Film der Nachkriegsjahre. Grüß Gott!

comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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