Die österreichische Menschheit zerfällt, sehr generalsierend betrachtet, in zwei Weltanschaungen. Die eine gebietet, sich die Schuhe auszuziehen, wenn eine fremde Wohnung betreten wird, die anderen, das Schuhwerk anbelassen. Der reziproke Fall, das Erbeten des Schuhausziehens durch Besuchte, beziehunsweise ihr Wunsch an Besuchende, die Fußbekleidung anzubelassen, korreliert fast ausschließlich mit den vorgenannten Disponiertheiten. Man mag die Ursache für alle Ektikette in dieser Frage im österreichischen Kuhstall suchen, in der feuchten Ackerfurche oder an sonstigen Orten pedaler Kontamination. Ein Teil der Ostösterreicher hörte jahrhundertelang auf den Namen „Gelbfüßler“, was einen Hinweis auf Barfüssigkeit in lehmreicher Gegend gibt. Haben die so Genannten beim Betreten der guten Stube eigens Schuhwerk angelegt? Drehten sie eine Runde im nassen Gras oder pritschelten sie sich die Füße am Hausbrunnen sauber?
Und wie hängen andere Formen der Beschuhtheit mit den klassenspezifischen Prägungen unserer Vorfahren zusammen? Das stampfende Betreten winterlicher Verköstigungshütten mit Schischuhen etwa (zwei Varianten sind bekannt, die mit geöffneten und die mit geschlossenen Schnallen). Gehört das Fahren mit Flipflops zu unserem Themenkreis? Und wie sollen Hausschuhe besohlt sein: Weich wie Küchenhandschuhe oder hart wie Schnitzpantoffeln? Die Fragen sind nicht die wichtigsten, aber sie rühren an die Befindlichkeiten der Gesamtbevölkerung. Gernot Blümel (Schuhentsager im Hohen Haus) wäre gesondert zu begfragen.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 27. Juli 2019.