Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 28/2019 zum 11. Juli 2019.
Liebe Frau Andrea,
neulich hörte ich in der U-Bahn ein Wort, das ich nicht einordnen kann. Nicht nur die Hitze, auch die bevölkerten Bäder beschäftigen mich mit dem unschönen Wort „Bodhur“. Hat es mit den Bädern und Badeanstalten zu tun? Können Sie mir weiterhelfen?
Liebe Grüße
Vilma Ecker, Liberté aus Baden bei Wien, per Email
Liebe Vilma,
ungeachtet des semantischen Zusammenhangs, in dem Sie das Wort „badhur“ betrat, wollen wir Allgemeines zu diesem Begriff und seiner Geschichte beisteuern.
Gemeinhin bezeichnete das alte Wienerisch eine Sexarbeiterin, die in Bädern ihre Dienste anbot, als Bódhua (Badehure). Im Millieu, das keinerlei Scheu vor derben Insulten kennt, wird damit bis heute die unattraktive und daher unbeliebte Prostituierte bezeichnet.
Kulturgeschichtlich gesehen ist Wien ein guter Kandidat für den Ursprung des Begriffs. Im Mittelalter galt die Leidenschaft der Bevölkerung den Badestuben, derer es hier fast mehr gab als Wirtshäuser und Kantinen. Dank seiner Verkehrslage blickt Wien auf eine lange Geschichte der käuflichen Liebe zurück, hier entstand ein Genre, das andere Großstädte nicht mit gleicher Intensität entwickelt haben, das der „Badhua“. Und es war keineswegs provinziell. Internationale Kräfte aus dem Ritterstand deckten sich in Wien mit balnealen Liebesdienstleistungen ein, bevor es auf große Kreuzzugs-Reise zu den Sarazenen ins Heiligen Land ging.
Die Dirnenkunst im Bad ist seit dem Mittelalter als Traditionsberuf etabliert. Mit dem Rückgang des Interesses am Bad verschoben sich auch die Orte der Anbahnung. „Hübschlerinnen“ und „Grabennymphen“ paradierten am Graben und wurden in einer unüberschaubaren Literaturflut bearbeitet. Der Aufstieg Wiens zur Kulturmetropole und zum Zentrum eines Imperiums hat der Liebesdienstartistik neue urbane (und sprachliche) Impulse gegeben. Die Prostitution suchte nun die Nähe der Bahnhöfe, der Kathedralen der Neuzeit. Im Rotlicht-Milieu galt und gilt die Wiener Prostituierte, lyrisch Baa (Bein) genannt, in Zusammenhang mit ihrem Arbeitsplatz daher auch spezifisch als Giatlhua (Gürtelhure) oder Prodabaa (Praterbein).
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