Früher war alles besser. Die Milch war fetter, die Luft frischer, die Blumen hatten mehr Farbe, niemand klebte am Handy. Jeder von uns erinnert sich mit Wehmut ans Goldene Zeitalter. Die Vokabel „früher“ impliziert, dass wir vom gleichen Zeitalter sprechen. Das ist schon deswegen nicht wahrscheinlich, weil unser individuelles Früher in jeweils anderen Zeiten und meist auch an anderen Orten liegt. Also einigen wir uns auf gemeinsam erlebtes Goldenes, erinnern uns daran, dass es Zeiten gab, zu denen es Bäcker gab. Und Fleischhauer. Und den Wirt zum Klugen Ochsen.
Wenn es die lokalen Paradiese nicht schaffen, werden die politischen mobilisiert. Die Kreiskyzeit etwa. Sie wird bizarrerweise auch von ehemaligen politischen Gegnern glorifiziert (oder aus Altergründen von solchen, die damals politische Gegner gewesen wären). Das hat weniger mit Kreisky selbst zu tun, als mit dem verklärenden Nimbus der Absoluten. Der Regierung ohne Koalition. Ein Fetisch, dem ganz erstaunliche Langlebigkeit innewohnt, wenn auch nur in den Hinterzimmern der politischen Lust. War doch auch Absolutregent Kreisky kompromiss-affin.
Sehr ähnlich sentimental sind unsere Erinnerungen ans Wetter. Es war besser. Es war nicht so heiß, erzählen wir einander, und die Meteorologen bestätigen das. Redliche Befahrung des Bergwerks der Erinnerungen fördert längst Vergessenes zutage. Ein Bild aus der Vergangenheit spreche für viele: Das der deutschen und holländischen Autofahrer, die mit dampfenden Kühlern auf Österreichs Pässen standen, Taschentücher auf den glühenden Glatzen und weinende Kinder am Rücksitz. Es war nicht alles besser früher.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 6. Juli 2019.