Wer ist der Bediente?

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 27/2019 zum 4. Juli 2019.

Liebe Frau Andrea,
unlängst begegnete mir wieder das wienerische Wort „bedient“. Dessen Bezeichnung für einen körperlich und/oder geistig behinderten Menschen ist mir durchaus geläufig. Meine Frage bezieht sich auf die Herkunft dieser Bezeichnung: Ist es der, meiner Erfahrung nach nur im Wienerischen vorkommenden, das Gegenteil meinenden Art einer Bezeichnung zuzuordnen, wie etwa „Zerlegter“ für einen athletischen oder „Blasser“ für einen dunkelhäutigen Menschen oder hat es doch andere Sprachwurzeln? Der lustige Teil dieses Themas war immer in der Schweiz, wenn man beim Betreten eines Geschäfts von der Verkäuferin gefragt wurde: „Sind sie schon bedient?“
Mit lieben Grüssen und vorauseilendem Dank für Ihre Aufklärung,
Heinz V. Hermann, Wien-Landstraße und Strobl am Wolfgangsee, per Email

Lieber Heinz,

das Wienerische kennt und schätzt die ironische Redefigur der Antiphrasis, mit der das Gesagte das Gegenteil der eigentlichen Wortbedeutung auszudrücken trachtet. Der Dicke wird so zu „Zoatn“, der Branntweiner-Stammgast zum „Herrn Direktor“ und das schüchterne Hinterhofblümchen zur „Rose ausn Gemeindebau“.

Der Behinderte ist in der Stadt der Dienstmädl und Bedienerinnen „ein vom Schicksal Bedienter“, gewissermassen Objekt einer Art negativer Dienstleistung der in Wien stets präsenten Fortuna. Auch in der Spielersprache, etwa bei Spiel „17 und 4“, gibt es auf die Frage der Bank, ob man noch eine Karte wolle, die Antwort „Danke, ich bin bedient“, wenn man keine Karte mehr sehen will.

„Bedient“ beschreibt aber nicht nur die körperliche, intellektuelle oder ludische Bilanz, sondern den Zustand des Betrogenseins. Und mit diesem einhergehend, Belämmertheit, Betrübtheit, das Leiden des Selbstbedauerns. Auch die Gaunersprache darf mobilisiert werden, in der das Ergebnis eines Messerstichs auch akutes somatisches Bedientsein auslöst.

Es gibt noch eine weiter Etymologie. So kennt das Wienerische die Bedíte, den Betrug, Schwindel, die Intrige. Wer jemand betrügt, „mochd a Bedítn“ oder „drahd ana dsamm“ (dreht eine zusammen). Das Wort kommt von italienisch partita, Partie und ist ein Synonym für die „Gaunaréi“.


comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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